Von Singapur nach Singapur – Oktober 2003

16.10.2003

Donnerstag, 16. Oktober 2003

Donnerstag, 16.10.03 – „Der Lehrer ist nicht da!“, sagen die drei Schüler, als sie mit einer Tasse Tee im Cockpit sitzen… Wolfgang tippt eher auf „blau“ machen… so oder so muss der Besuch von der nächsten „Abordnung“ etwas gekürzt werden, den Melle und mein Skipper müssen mich seeklar machen, wir wollen weiter. Im riesigen Inselgarten südlich von Singapur liegt Ankerplatz an Ankerplatz, man könnte Jahre segeln, ohne irgendwann eine Bucht doppelt anzulaufen. Hunderte grüner, dschungelüberwucherter Eilande, ab und zu ein kleines Dorf oder eine Fischerhütte, meistens aber Einsamkeit und Stille, nur ab und zu das „Klotoklotokklotok“ der Klotoks, mit denen die Einheimischen unterwegs sind. Am Ankerplatz hinter Pulau Setumu rufen nur ein paar Affen in den Bäumen. Melle und Wolfgang üben auf Gitarre und Flöte, damit sie beim nächsten Mal besser mit den Indonesiern mithalten können!

17.10.2003

Freitag, 17. Oktober 2003

Freitag, 17.10.03 – Kevin Costner muss hier wohl mal Urlaub gemacht haben. Und zur Finanzierung desselben hat er dann hier „Waterworld“ gedreht. Jedenfalls erinnern die Stelzenhäuser zwischen den Inseln auffallend an das Fort in besagtem Film!
Auf der Funkrunde werden für Singapur schwere Gewitter angekündigt, wir bleiben aber verschont und nach einem geruhsamen, schönen Segeltag bei bedecktem, teintschonendem Himmel, leichter Brise aus Südwest und glatter See fällt nach 39 Meilen hinter Pulau Mubut Derat im Selat (Fahrwasser) Riau mein Buganker. Am Horizont sieht man schon den Lichtschein der Metropole. Am besten gar nicht hinschauen…

18.10.2003

Samstag, 18. Oktober 2003

Samstag, 18.10.03 – So langsam wird der Verkehr immer dichter, Schnellfähren kreuzen vor meinem Bug oder durch mein Kielwasser, aber die gut 30 Meilen bis zur Nongsa Point Marina sind trotzdem schnell geschafft. Nongsa Point liegt noch in Indonesien, aber schon mit Blick auf Singapur, die Marina samt zugehöriger Ferienanlage ist deshalb ein beliebtes Naherholungsziel für die Großstädter. Und am Wochenende gibt es für die Klientel von „Gegenüber“ immer ein schönes Buffet mit Holzkohlengrill und allem, was dazu gehört. Meine Crew reiht sich ein und stößt mit frischem Tiger-Pils auf die Ankunft in der Zivilisation an.

19.10.2003

Sonntag, 19. Oktober 2003

Sonntag, 19.10.03 – Einerseits dauert der Behördenkram zum Ausklarieren nunmal einfach einen Tag lang, andererseits wäre es aber auch schade, überhastet weiter zu segeln: Swimmingpool mit kleiner Bar, Sonntagsspaziergang zum Nachbarresort am Strand entlang, Klönschnack mit den anderen Seglern…

20.10.2003

Montag, 20. Oktober 2003

Montag, 20.10.03 – Die Straße von Singapur. Das Nadelöhr auf dem Weg von und nach Asien. Die am dichtesten befahrene Wasserstraße der Welt (obwohl das so einige andere Ecken ja auch von sich behaupten), Knotenpunkt zwischen Indonesien und Malaysia. Und wir mitten drin. Oder besser: knapp daneben, denn Wolfgang und Melle halten mich schön neben dem Verkehrstrennungsgebiet. Da ist Platz genug zum Aufkreuzen gegen einen schönen Südwestwind, außerdem ist das Überqueren der „Autobahn“ etwas westlich von Singapur sicherer, weil dort wenigstens der Fährverkehr nicht mehr so dicht ist. Uneingeschränkt durch die Schleusengröße des Panamakanals (das ist nämlich für viele Frachter im Atlantik logischerweise die Obergrenze!) sind hier im Indik Frachter und Tanker unterwegs, für die der Ausdruck „Super“ schon nicht mehr ausreichend ist. Megatanker. Hyperfrachter. Monsterschiffe. Aufgereiht wie an zwei Perlenschnüren, je eine pro Fahrtrichtung. Und so zwischen 15 und 20 Knoten schnell. „Augen zu und durch“ ist nicht wirklich eine Option, Wolfgang wartet lieber auf eine schöne Lücke, zum vorschriftsmäßig rechtwinkeligen Queren müssen wir auf halben Wind abfallen, das gibt uns einen Extra-Knoten Geschwindigkeit und so ist um 11.55 h schon alles vorbei. Fast alles, denn plötzlich stehen wir vor einem Damm, wo eigentlich das westliche Ende von Singapur und damit die Einfahrt zur angepeilten Marina sein sollte. In Bali ist wegen der Landgewinnungsprojekte extra noch eine funkelnagelneue Detailkarte vom Singapur an Bord gekommen, damit wähnte sich mein Skipper auf der sicheren Seite. Aber dass die fleißigen Singapurianer mal eben fünf Meilen Land auf 20 m Wassertiefe kippen, das glaubt er dann erst, als wir nach einer kleinen Suchfahrt in den Innenhafen hinein doch gaaaaaanz außen herum fahren müssen!
So gegen 17.00 h endet die Odyssee – und damit auch der Törn von Bali nach Singapur- in der Raffle’s Marina. 1309 Meilen voller Abenteuer – und vor allem voller schöner Begegnungen mit den wunderbaren Indonesier/innen.

21.10.2003

Dienstag, 21. Oktober 2003

Dienstag, 21.10.03 – Es stimmt: Kaugummikauen ist verboten, essen und trinken in der S-Bahn (auf dem Weg zum Einklarieren beim Hafenmeister) sowieso, Singapur ist tatsächlich so sauber und aufgeräumt wie es erzählt wird. Wolfgang wird sich in ein paar Tagen endgültig entscheiden, ob ihm das wirklich gefällt, aber der Streifzug durch das quirlige China-Town und der anschließenden Kneipenbummel mit Melle am Singapore-River lassen Hoffnung aufkeimen.

22.10.2003

Mittwoch, 22. Oktober 2003

Mittwoch, 22.10.03 – Die Formalitäten sind erledigt, die neue Gastlandsflagge weht unter der Stb-Saling, die Crew kümmert sich ein wenig um mich und verholt sich dann in den Schatten am luxuriösen Swimmingpool. Größere Anstrengungen sind in der feuchten Hitze ohnehin nicht wirklich möglich.

23.10.2003

Donnerstag, 23. Oktober 2003

Donnerstag, 23.10.03 – Die tägliche Zeitung kommt um 09.00 h an Deck geflogen, passend zum Frühstück. Danach geschehen merkwürdige Dinge. Wolfgang wälzt Farbmusterordner und alle meine Polster werden abtransportiert! Melle übernimmt unterdessen die große Wäsche, bevor sich beide zum Schreiben in die gekühlten Geschäftsräume der Marina zurückziehen und mich alleine am Steg in der Sonne schmoren lassen. Bis zum Sonnenuntergang, aber da kommen sie auch nur zum Umziehen an Bord, mir frisch gewaschenen Unterhosen geht es dann in die Innenstadt. Morgen ist nämlich Feiertag, indisches Neujahrsfest, und deshalb wird heute schon das Wochenende eingeläutet!

24.10.2003

Freitag, 24. Oktober 2003

Freitag, 24.10.03 – Einen Tag in der Marina, einen Tag in der Stadt. Heute sind Melle und Wolfgang also einen ganzen ruhigen, schönen Tag lang in der Marina und trödeln rum, erledigen Post und hören am Abend der Drei-Damen-Kapelle in der Discovery-Bar (das ist so die Marina-Kneipe/Seglertreffpunkt) zu.

25.10.2003

Samstag, 25. Oktober 2003

Samstag, 25.10.03 – Von 10.00 h bis in den späten Nachmittag hinein bricht der Putzwahn aus, ich werde unter Deck auf Hochglanz poliert. Und am Abend wird dann in der Stadt Abschied gefeiert.

26.10.2003

Sonntag, 26. Oktober 2003

Sonntag, 26.10.03 – Melle hat nämlich für heute Abend einen Flug nach Sri Lanka gebucht, wo er als Tauchlehrer arbeiten will. Damit ihm der Abschied etwas leichter fällt, wird vorher noch das Deck geschrubbt… Vielen Dank für das Erretten meines Skippers vor dem Einhandsegeln, mit Dir an Bord war es nicht nur viel sicherer, sondern einfach schöner als alleine!

27.10.2003

Montag, 27. Oktober 2003

Montag, 27.10.03 – Und damit sind Skipper und ich ganz alleine. Naja, fast alleine, denn erstens liegen die Yachten „Gina“ und „Damischa Ridda“ auch hier, somit ist also schonmal für deutschsprachige Unterhaltung gesorgt. Und außerdem ist Wolfgang ja nicht wirklich kontaktscheu und hat sowieso seit dem Wochenende einen kleinen Freundeskreis in Singapur.

28.10.2003

Dienstag, 28. Oktober 2003

Dienstag, 28.10.03 – Und er macht jeden Tag eine Wartungsarbeit, heute den fälligen Ölwechsel.

29.10.2003

Mittwoch, 29. Oktober 2003

Mittwoch, 29.10.03 – Papierkram erledigen, Rechnungen sortieren – nichts hasst mein Skipper mehr! Zur Belohnung gibt es unter Lawrence’s (neuer malay-chinesischer Freund) kundiger Führung einen kleinen Stadtbummel am Abend.

30.10.2003

Donnerstag, 30. Oktober 2003

Donnerstag, 30.10.03 – Manche Tage sind auch einfach nur verschwendet, der heutige zum Beispiel auf der Suche nach einem Dieselfilter, den es in Singapur nicht gibt. Keine Belohnung, kein Stadtbummel, nur ein Trostbier im „Discovery“.

31.10.2003

Freitag, 31. Oktober 2003

Freitag, 31.10.03 – Halloween ist in Singapur genauso unetabliert wie in Deutschland. Aber die Kneipen und Clubs sind schön dekoriert, ein paar Gespenster und Monster finden sich in der Meute, Grund genug, das Wochenende einzuläuten. Außerdem ist heute Sankt Wolfgang, kaum zu glauben, dass es sowas mal in heilig gab…

01.11.2003

Samstag, 01. November 2003

Samstag, 01.11.03 – Im Asian Civilisations Museum ist toll dargestellt, wie Singapur als Schmelztiegel Südostasiens fungiert. Chinesen, Malayen, Inder, Indonesier, Araber, Holländer, Engländer – die halbe Welt auf einer kleinen Insel. Erfolgreiches Multikulti, auch wenn sich nicht alle untereinander mögen, so akzeptieren sich doch alle. Singapurs erste offizielle 24-Stunden-Party im „Centro“ ist denn auch ein wilder Mix aus allen möglichen Hautfarben, Augenformen, Kleidungsvorlieben, Körpergrößen. Und nicht nur Wolfgang hat seinen Spass, sondern der ganze Laden tobt auf zwei Stockwerken die ganze Nacht lang…
Und ich habe meinen Spass auch – und zwar an den neuen Polstern! Himmelblau mit kleinen Punkten! Und steifere Rücklehnen, auf denen man oben die Arme lässig ablegen kann. Von außen bin ich ja schon seit anderthalb Jahren (also seit der neuen Rumpflackierung in Auckland) „tipptopp“, und jetzt eben auch von innen! An dieser Stelle und aus diesem schönen Anlass mal wieder ein großes Dankeschön an alle unsere Gäste, ohne die ich natürlich jetzt keine neuen Kissen hätte!