Von Odessa nach Varna

11.08.2005

Donnerstag, 11. August 2005

Donnerstag, 11.08.05 – Ina, meine bewährte odessiter Privatreiseführerin, holt Familie Siepmann zum Stadtrundgang ab: Die 192 Stufen der Potemkinschen Treppe hinauf, den Primorskij Boulevard entlang, an Oper, Stadtpalast und Museen vorbei zur Deribassovskaya-Straße, durch den Stadtpark und hierher zurück. Zum Ausruhen dann nach Arkadia an den Strand, mit dem Volleyball findet man da auch schnell in paar andere Kinder zum Mitspielen. Abends wird die ukrainische Küche getestet – und für gut befunden!

12.08.2005

Freitag, 12. August 2005

Freitag, 12.08.05 – Die Behördengänge dauern mal wieder bis in den frühen Nachmittag, aber dann sammeln Robin und André die Fender ein: es geht auf’s Schwarze Meer hinaus! Ganz leichte Brisen sind prima zum Einsegeln, am Abend schläft der Wind sogar ganz ein, die Kinder auch, ruhige Nachtfahrt unter Maschine die Küste entlang nach Süden.

13.08.2005

Samstag, 13. August 2005

Samstag, 13.08.05 – Freitag, der 13. ist hier an Bord ja immer ein Glückstag. Samstag anscheinend nicht. Seit Mitternacht legen Wind und Welle immer mehr zu, erst unmerklich, aber dann doch über die angesagten drei Windstärken hinaus. Noch genau dreißig Meilen bis zum Donau-Delta. Zu viel, entscheidet der Skipper und dreht meinen Bug wieder nach Norden, mit Kindern an Bord muss man eben etwas rücksichtsvoller segeln. Aber dann beginnt die Pechsträhne: An einer Holzverladepier vor Belgorod geraten wir in die Mühlen der Behörden, alle Formulare müssen geändert werden, weil Belgorod nicht auf der angegebenen Route eingetragen ist. Zeit für den Papierkram ist aber genug, weil die Hebebrücke, die die Zufahrt zur Lagune für meinen Mast versperrt, sowieso erst um 14.20 h geöffnet wird. Die Kinder üben Knoten, heute Fenderknoten, Kreuzknoten und Achtknoten. Zoll und Küstenwacher verabschieden sich schon höflich, da erscheint der Hafenkommandant und erklärt, dass das Heben der Brücke 500,- Dollar einfach kostet, außerdem erst am Abend. Und beim Rausfahren wieder. Erbarmungslos. 1000,- Dollar zahlen wir nicht. Zoll und Küstenwache ändern wieder die Papiere und sind ziemlich sauer auf ihren Kollegen vom Hafenamt. Der Frachter, für den die Brücke pünktlich um 14.20 h gehoben wird (und nach dem wir bequem in die Lagune hätten schlüpfen können!!) , muss noch an uns vorbei, dann legen wir ab, Kurs Nord nach Ilichevsk. Der Yachthafen dort sieht schon von weitem aus wie eine einzige Baustelle, die Einfahrt ist versandet, in den Industriehafen dürfen wir nicht, die Behörden schicken uns in den nächstnördlichen Hafen, und da machen wir um 21.30 endgültig fest: am alten Liegeplatz in der Marina in Odessa. 120 Meilen im Kreis gesegelt, nur noch schnell ein paar weitere Formulare, dann fallen Skipper und Mannschaft in den Schlaf des Vergessens.

14.08.2005

Sonntag, 14. August 2005

Sonntag, 14.08.05 – In unserer Abwesenheit hat hier gestern ein schweres Gewitter gewütet, Bäume entastet, ein Bierzelt am Hafen zerstört und reichlich Chaos angerichtet. Na, da haben wir ja wenigstens nichts verpasst…
Heute ist auch noch Sauwetter, aber bei mir unter Deck ist es trocken und gemütlich, Bettina liest ein paar hundert Seiten und die Jungs spielen Uno und Abalone. Hat was von „Ein Sonntag im Bett…”!

15.08.2005

Montag, 15. August 2005

Montag, 15.08.05 – Zweiter Versuch. Schon um 11.45 sind die Behördenhürdenhorden überwunden, Kurs Süd-Südwest. Wolfgang bindet einen Fender an einen Festmacher, und dann können André und Robin neue Geschwindigkeitsrekorde als „Haiköder” (also an der Trosse nachgeschleppt) aufstellen. Leider gewinnt Nico, aber der ist ja auch schon groß!
Abends kommt eine Delfinschule zu Besuch, das ist traumhaft. Fast eine Stunde lang, oft zum Streicheln nah am Bug. Bei Sonnenuntergang kommen sie noch mal, und später, in ruhiger Nacht, noch mal nur für Bettina. Wolfgang schaltet meine Positionsleuchten aus, dann sieht man nur noch das Leuchten des Planktons, wenn die Delfine um meinen Rumpf herum spielen. Unvorstellbares Unterwasserfeuerwerk, nur für Segler…

16.08.2005

Dienstag, 16. August 2005

16.08.2005Dienstag, 16.08.05 – Diese Nachtfahrt war so schnell, dass ich vor der Donaumündung sogar etwas gebremst werden muss! Mit dem ersten Tageslicht laufen wir dann in Sulina ein, Rumänien ist erreicht! Die ersten Pelikane fliegen in Formation vorbei, es riecht nach Süßwasser.
Die Behörden kommen an der Zollpier kurz an Bord, füllen ihre Formulare innerhalb von 15 Minuten selber aus und sagen dann: „Alles prima, sie können weiterfahren, wann sie wollen!” Mein Skipper traut seinen Ohren nicht, „Wann wir wollen, einfach so???!!!”
Wir wollen nach einem gemütlichen Mittagessen, und zwar acht Meilen die Donau hinauf in ein stilles Altwasser. Wegen der Gegenströmung werden das zwar zwölf Meilen, aber dann ankern wir so, wie man sich das hier vorstellt: In völliger Einsamkeit, nur Wasservögel um uns herum, am schönsten sind die eleganten Seidenreiher. Geangelt wird natürlich auch sofort, aber leider erfolglos.
Bei Sonnenuntergang beginnt natürlich die Mückenplage, aber mit den Moskitonetzen an allen Luken ist die Situation rasch geklärt. Die Kinder jagen die letzten Eindringlinge um die Wette, dann gibt es leckere Pellkartoffeln und zum Schlafengehen ein paar Seiten aus den „Dreizehneinhalb Leben des Käpt’n Blaubär”.
(Damit der Tag nicht ganz ohne Komplikationen bleibt, habe ich mal eben die Zentralbilge voller Donauwasser gefüllt, mal sehen, wie lange Wolfgang braucht, um das Leck zu finden!)

17.08.2005

Mittwoch, 17. August 2005

Mittwoch, 17.08.05 – Frühstück im Cockpit, inmitten unberührter Natur. Ab und zu kommt ein Fischerboot vorbei, oder ein Ausflugsboot mit Tagestouristen. Aber hauptsächlich bleiben wir únter uns. Schwimmen, Saltos von der Badeplattform springen – und natürlich ein Ausflug mit dem Beiboot! Bevor die Kinder nicht bewiesen haben, dass sie zur Not bis an das Ufer rudern können, dürfen sie natürlich den Motor nicht starten! Aber das klappt ganz gut, also bekommt André die Sicherheits-Motorstopp-Leine (schaltet den Außenborder ab, falls der Steuermann außenbords fällt!) um das Handgelenk, zweimal kräftig am Starterseil ziehen – und schon geht die Post ab!
Rumflitzen ist toll, aber anhalten auch! Das Expeditionsteam erkundet eine Schwimminsel, und Robin-Adlerauge findet zwei schöne Flussmuscheln.
Die Donau runter sind es nur sechs Meilen bis Sulina, halb so viel wie rauf zu! Die gewonnene Zeit wird vom Koch einer Pizzeria leider vertrödelt, wenigstens wird den Kindern die Wartezeit nicht so lang, weil sie Anna und Menno von der „Triton” beim Anlegen helfen. Die beiden laufen uns seit über einem Jahr immer mal wieder über den Weg und sind schon liebe Freunde geworden.
Pizzagestärkt geht es wieder auf Große Fahrt, und am Ende des Wellenbrechers findet Wolfgang auch das Leck, die Wellendichtung hat sich nach vorne verschoben. Das ist schnell – und gerade rechtzeitig repariert, denn eine Meile weiter hätte ich schon Salzwasser übernommen, das wäre unangenehmer. So bin ich nur zu frisch gespülten Bilgen gekommen, das schadet ja nicht!
Bis nach Konstanza sind es 80 Meilen, also wieder durch die Dunkelheit. Völlige Windstille und unwirklicher Dunst kennzeichnen die erste Hälfte dieser Nacht, als Nico und Bettina Wache gehen…

18.08.2005

Donnerstag, 18. August 2005

Donnerstag, 18.08.05 – Um 02.00 h reicht der Wind zum Segeln, zwei Beaufort aus dem Nordwesten. Um 04.00h läuft es so richtig gut, drei Beaufort, mäßige Schräglage, alles bestens. Um fünf Uhr fünf Windstärken, um sechs Uhr sechs. Mehr oder weniger von vorne, mit entsprechendem Seegang… Wolfgang schickt die Mannschaft einfach wieder in die Kojen, außer Salzwasserduschen verpasst man im Cockpit ja auch nichts. Um die Lage etwas zu verbessern, birgt mein Skipper das Großsegel, so segele ich etwas aufrechter, und die Kinder rollen in den Kabinen nicht mehr übereinander. Zwei Stunden später ist der ganze Spuk aber schon vergessen, da liege ich nämlich im Yachthafen von Konstanza. Nach und nach wird der Papierkram erledigt, das geht hier in Rumänien weiterhin unkompliziert. Der Rest des Tages wird einfach entspannt verbummelt.

19.08.2005

Freitag, 19. August 2005

Freitag, 19.08.05 – An einigen Stellen kann man den Glanz vergangener Tage noch erkennen, und wie so oft an den Küsten des Schwarzen Meeres stapeln sich die Reste aus ganz verschiedenen Epochen übereinander. Römische Bäder neben griechischen Sarkophagen, Jugendstilvillen neben sozialistischer Zweckarchitektur. Den besten Überblick hat man vom osmanischen Minarett aus! Aber insgesamt ist die Stadt ärmlich, und auch ein paar Taschendiebe, die Nico um sein Bargeld erleichtern wollen, können das nicht ändern. Zu zweit sind Wolfgang und Nico nämlich ganz schön groß und breit, und da rücken die Gauner ihre Beute lieber wieder heraus.
Am Nachmittag geht es an den Strand, Volleyballspielen. Und da gelangt Robin zu der bahnbrechenden Erkenntnis, dass man auf der Oberseite von Wolfgangs Armen nur schlecht Furzgeräusche machen kann, „weil da so viel Fell ist!” Die Unterseite eignet sich aber hervorragend…

20.08.2005

Samstag, 20. August 2005

Samstag, 20.08.05 – Ein fast normaler Segeltag: Frühstück im Cockpit, Ablegemanöver, Segel setzen… aber dann macht eine Fledermaus Landeanflüge an der Baumnock, bis sie sich doch das obere Drittel der Rollgenua als Ruheplatz aussucht! Das hatte ich auch noch nie! Und vor allem nicht am helllichten Tag! Die Möwen flippen auch aus und attackieren den Köder an der Schleppangel, merkwürdige Szenen heute im Bordzoo!
Mangalia liegt nur 22 Meilen weiter südlich, ich bin die einzige Yacht in diesem großen Hafen – und deshalb natürlich sofort Touristenattraktion! Fast alle Passanten machen ein Foto von uns, Bettina weiß schon nicht mehr, wie sie sich setzen soll! Einerseits will man den Leuten ja nicht brüsk den Rücken zukehren, andererseits kann man aber auch nicht mit jedem ein Gespräch anfangen!
Am besten wechselt man die Seite und flaniert auch ein wenig, der Ort ist auf den zweiten Blick viel schöner, als der triste Hafen vermuten ließ!

21.08.2005

Sonntag, 21. August 2005

21.08.2005Sonntag, 21.08.05 – Über vierzig Meilen sollen heute zurückgelegt werden – und es wird ein toller Segeltag! Rückenwind, Schiebestrom, Passatbesegelung: herrlich! Am Kap Shabla ist der westlichste Punkt Bulgariens erreicht, der erste Hafen im dritten Land dieser Reise ist Balcik. Bulgarien hat den Anschluss an den Westen offensichtlich besser hinbekommen als Rumänien, wenn die kyrillischen Schriftzeichen (André liest sie schon prima!) nicht wären, könnte der nette Badeort auch irgendwo in Griechenland oder Spanien sein! Das Einklarieren ist schnell erledigt, weil die Zöllnerin es mit ihrem Minirock mal wieder nicht über die Reling schafft (das Modell gibt es offensichtlich noch in allen Ex-Ostblock-Staaten!), einen Platz im Innenhafen bekomme ich auch noch, ein Strand ist auch da, perfekt!

22.08.2005

Montag, 22. August 2005

Montag, 22.08.05 – Ein halber Tag am Strand (Volleyball, Wasserschlacht, Eis, das übliche Programm halt!), ein halber Tag unter Segeln – und dann ist Varna erreicht. 385 Meilen und drei Länder, eine wilde Reise! Im Yachtclub heißt man uns herzlich Willkommen, Christoph, der Oberstegwart, spricht prima deutsch und organisiert Landstromanschluß und Wasser, und er weist den Weg zur heißen Dusche. Die ist mal nötig…
Zum Abendessen gibt es fangfrische Raubmakrele, die hat tatsächlich auf den letzen Meilen noch gebissen! Zuerst dient sie als Anatomieanschauungsobjekt (Eingeweide für Anfänger) – und dann landet sie in Butter in der Pfanne! Falls irgendjemand sonst es in dieser Saison geschafft hat, im Schwarzen Meer einen Fisch mit der Schleppangel zu landen, spendiert Wolfgang dem/derjenigen eine Flasche Wein. Die Wette gilt.
Die Bordmusik ist in der letzen Zeit zu kurz gekommen, das wird heute nachgeholt. „Mein Dackel Waldemar und ich”, „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten”, „In einen Harung jung und schlank”, „Drunken sailor”, „Ein Hase saß im tiefen Tal” und was die Jungs und der Skipper sonst noch so auf Klampfe und Trommel und auswendig können, wird über den Hafen geschmettert.

23.08.2005

Dienstag, 23. August 2005

Dienstag, 23.08.05 – Varna ist prima! Eine lange, schattige Fußgängerzone, viel Kultur und ein gigantischer Stadt-/Strandpark am Ufer entlang, Beginn am Fuß der Mole, ein paar hundert Meter hinter meinem Liegplatz! Und Brandung am Strand, weil doch Ostwind ist! Das macht Spaß!!! Auf dem eigenen Bauch die Wellen hinunter gleiten, André und Robin kommen erst wieder ins Trockene, als sie blaue Lippen bekommen!
Das Abschiedsessen wird stilecht in einem riesigen Schiff eingenommen, ist ja leider schon der letzte Abend heute… bin jetzt schon traurig…

24.08.2005

Mittwoch, 24. August 2005

Mittwoch, 24.08.05 – Robin entschließt sich doch, Nico und Wolfgang beim Schrubben zu helfen, obwohl die Kinder und Bettina eigentlich putzfrei haben. Aber mein Innenleben ist ja auch interessant, und am letzten Tag liegt es ja immer offen zu Tage, weil die Salonbodenbretter im Cockpit gewischt werden. So vergeht auch diese Zeit wie im Fluge – und dann steht schon das Taxi auf der Pier. Kommt gut heim, und vor allem: kommt wieder!!! Und erzählt all den anderen Familien mit Kindern, dass Segeln mit Kindern einfach nur prima ist, hier an Bord auf jeden Fall!!