Von Portland nach Portland

25.07.2007

Mittwoch, 25. Juli 2007

Mittwoch, 25.07.07 – Von der neuen Crew kommen heute nur SMS: Wir kommen später, wir kommen noch später, wir kommen heute gar nicht mehr. Als Trost: Ich habe über den Atlantik drei Wochen gebraucht, da ist so ein wenig Verspätung beim Fliegen doch auszuhalten.

26.07.2007

Donnerstag, 26. Juli 2007

Donnerstag, 26.07.07 – Heute kommen sie dann sogar etwas eher, als in der letzen SMS angekündigt, Wolfgang hat deshalb noch keine Brötchen geholt, sondern reibt sich erfreut die Augen. Herzlich Willkommen an Bord für Rosi und Stephan Stolle, Barbara Ney und Monika Bloessl. Die Vier waren schon so häufig an Bord, das die Schiffs- und Sicherheitseinweisung nach dem Bunkern Sache von einer knappen halben Stunde ist, danach legen wir ab, Kurs Nordost. Zur Begrüßung der neuen Crew kommen ein kleiner Seehund und ein Delfin vorbei. Der Südwestwind bleibt mir auch für diesen Törn treu und zieht mich ruhig 27 Meilen weiter. Von hier bis an die kanadische Grenze warten über dreitausend Inseln auf Erkundung, dazu tiefe, fjordartige Flussmündungen, die die Küstenlinie Maines auf 1600 Meilen verlängern. Klar, dass es hier alle paar Meilen einen Ankerplatz oder einen Hafen gibt. Der erste Ankerplatz für mich heißt Five Islands, mitten zwischen den fünf Inseln im Wald liegen ein paar Yachten und Fischerboote, ich werde einfach an eine freie Muringboje gehängt, der erste Eindruck von diesem Küstenabschnitt begeistert schon mal.

27.07.2007

Freitag, 27. Juli 2007

27.07.2007

Freitag, 27.07.07 – Zum großen Slalom zwischen den Inseln hindurch gesellt sich der kleine zwischen den Hummerbojen hindurch. Davon liegen hier Millionen, da wird es wenigstens nicht langweilig am Ruder und an den Schoten. Mit zunehmendem Abstand zu Portland werden die Yachten immer weniger, dafür nimmt das Naturerlebnis zu. Es kommen wieder Delfine vorbei, außerdem immer mehr Seevögel, besonders nett ist eine Sorte, die ein Mittelding aus Möwen und Enten ist und deshalb „Mönte” getauft wird.
Harbor Island ist wohl mal so getauft worden, weil man in die Ankerbucht auf der Nordseite einen Hafen bauen könnte. Ist aber nicht draus geworden. Nur Natur. Am Ufer stecken so viele Muscheln zwischen den Felsen, dass zwei Plastiktüten weniger gar nicht auffallen. Und die paar Schnecken erst recht nicht… in Weißweinsud…
Nach den ersten Probebissen findet Monika heraus, dass die Muscheln nicht leicht sandig sind, sondern Perlen haben. Die reichen nicht wirklich für eine dreireihige Kette, sind aber ein schönes Souvenir.

28.07.2007

Samstag, 28. Juli 2007

Samstag, 28.07.07 – Pottendichter Nebel. Aber damit muss man hier rechnen. In Schleichfahrt (bis auf das Tuten mit der Muschel! Rosi hat es als erste raus, wie es geht!) geht es weiter bis nach Port Clyde. Da liegen wieder Bojen für die durchreisenden Yachten aus, bezahlen muss man im Dorfladen, und der hat direkt neben dem Waschmittelregal auch eine Dusche. Außerdem gibt es den Leuchtturm zu besichtigen, den man vorher bei der Hafenansteuerung leider nur gehört hat. Wie überall an der Küste hier führen die Kneipen Hummer auf der Speisekarte, in Port Clyde warten die freundlichen Schalentiere (einer winkt noch auf dem Weg zu Küche…) in einer Badewanne auf der Veranda auf ihren letzten Gang. Dazu serviert man hier einen Maiskolben und Brot, sonst nichts. Kostenpunkt 12,- Euro für einen ganzen, knapp 700 g schweren Lobster.

29.07.2007

Sonntag, 29. Juli 2007

Sonntag, 29.07.07 – Wolfgang und Rosi erstehen noch schnell frisches Brot im Laden, dann geht es weiter, trotz Nebel. Radar an, Ohren auf und durch. Am Nachmittag lichten sich die Schwaden, das ergibt völlig unwirkliche Blicke auf die Inseln.
In Vinalhaven hat ein Fischer eine Boje für mich, der Ort selber zeigt, dass Maine nicht nur vom Tourismus lebt. Außer mir liegt nur ein einziges weiteres Segelboot im Hafen, ansonsten nur Lobsterkutter. An Land erinnert ein gewaltiger Steinblocktransportkutschwagen an die ehemalige Haupteinkunftsquelle Maines: den Granit. Die öffentliche Bibliothek hat man ganz daraus gebaut, die wird wohl noch die Pyramiden überleben.
Zurück an Bord geht es mit dem Beiboot durch den wiederaufziehenden Nebel. Trotzdem klicken die Fotoapparate um die Wette, weil die Wasserspiegelungen in Verbindung mit dem weißen Wabern immer neue Motive zaubern. Barbara merkt gar nicht, wie es immer dunkler wird und sagt irgendwann: „Ich finde das Display nicht mehr!”, weshalb Monika vorschlägt: „Dann nimm den Sucher!” – „Den finde ich auch nicht mehr!”
Als durch den Nebel irgendwie ein Stern durchblinzelt bemerkt Barbara nur: „Jetzt wissen wir wenigstens, wo oben ist!”

30.07.2007

Montag, 30. Juli 2007

Montag, 30.07.07 – Der Nebel bleibt am Morgen noch erhalten, aber für die zehn Meilen bis zur Ile au Haut (man merkt doch, dass das alles mal zu Frankreich gehört hat!) macht es nichts aus. Der Südteil der Insel gehört schon zum Acadia Nationalpark, und pünktlich zur Wanderung durch wilden Urwald, Hochmoore und dunkle Tannen scheint auch die Sonne wieder. Mutter Natur versorgt meine Crew heute mit Maronen, Steinpilzen und Pfifferlingen, die alle genau neben der Naturparkgrenze standen. Na gut, fast. Anstatt sich wenigstens eine Pilzvergiftung zu holen, überfrisst sich Wolfgang an den dazu gereichten Bohnen mit Speck und verkorkst sich den Magen. Vor dem Abendessen geht übrigens die komplette Mannschaft baden, 16°C! Schön warm, wenn man raus kommt!
Musik wird dann auch noch gemacht, alle Kanons, die der Crew einfallen.

31.07.2007

Dienstag, 31. Juli 2007

Dienstag, 31.07.07 – Eigentlich ist es mal wieder zu schön, um abzulegen. Aber nördlich sieht es noch schöner aus! Hunderte von Inseln, südlich von Stonington, das müsst ihr mal auf google earth anschauen! So um Mittag herum ist es am allerschönsten, auch wenn die Insel, die zufälligerweise querab liegt, Devil Island heißt. Eine Festmacheboje in einer kleinen Bucht lädt zum Stopp ein, ein großer Salat ist schnell gezaubert und vertilgt, erst als ein großer Schoner majestätisch an mir vorüberzieht, juckt es die Crew in den Fingern, die Segel zu setzen. Die leichte Brise reicht genau für den Blister, und so holen wir den alten, aber eleganten Küstensegler ein: Fototermin auf Gegenseitigkeit.
Mount Desert Island bildet den größten Teil des Acadia National Parks, im North East Harbor legt mich Rosi an einen kleinen Schwimmsteg. Die Hafenmeisterin überreicht Busfahrplan und Wanderkarte, schätzungsweise habe ich einen Tag Pause!

01.08.2007

Mittwoch, 01. August 2007

Mittwoch, 01.08.07 – Stephan ist der neue Dinghikapitän und chauffiert meine Mannschaft an Land. Die Busse zu allen Sehenswürdigkeiten und Wanderweganfängen sind gratis, nur den Eintritt in den Nationalpark müsste man bezahlen, wenn man denn könnte. Kann man aber in North East Harbor nicht. Ist ja nicht so schlimm, kontrolliert wird nicht.
Ein Radler und der Busfahrer empfehlen die beste Route zum Wandern: Über die Nordflanke auf den Mount Cadillac hinauf – und dann auf der Südseite wieder herunter. Danach kann man noch den schönsten Strand und das Thunderhole anschauen – und danach ist man dann ziemlich reif für den nächsten Hummer. Genau so wird’s gemacht: Durch Blaubeerfelder rauf – oben (1532 Fuß) den Rundumblick genießen – und über gewaltige Granitflächen wieder runter vom höchsten Berg zwischen Kanada und Brasilien. Dann am Strand den Badenden neidisch zuschauen, weil niemand an Schwimmzeug gedacht hat, dann am Thunderhole dem Donnern der Brandung in einer Granitschlucht zuhören – und dann der Hummer.
Für alle Kopfrechner: Wir wissen natürlich auch, dass 1532 Fuß nur 500 Meter sind. Aber von Meereshöhe aus ist das schon ein ganz schöner Anstieg. Das mit dem „höchsten Berg” zwischen Kanada und Brasilien stimmt natürlich auch nur, wenn man die Antillen nicht mitzählt und auch in Mittelamerika den Begriff „an der Küste” sehr, sehr eng fasst. Immerhin: es ist der höchste Berg an der US-Ostküste, und was hier und heute zählt sind auch nicht die Höhenmeter, sondern die Natur, und die ist von A wie „alpine Landschaft” über B wie „Bergseen, Blaubeeren” und E wie „Erdhörnchen” und G wie „Geier, Granitfelsen” undundund bis Z wie „zwitschernde Vögel” wunderschön.

02.08.2007

Donnerstag, 02. August 2007

Donnerstag, 02.08.07 – Ich darf wieder mitspielen: Die Mannschaft geht zwar erst noch Lebensmittel einkaufen, aber danach werden die Segel gesetzt. Mount Desert Island war der nordöstlichste Punkt für dieses Jahr, von nun an geht es wieder nach Westen und Süden. Und wie immer zwischen Unmengen Inseln und Hummerbojen hindurch. Kurz vor Stonington sitzt eine ganze Seehundkolonie auf einer Klippe, beim Aufkreuzen im engen Fahrwasser kommen wir ganz schön nah heran, aber die Tiere lassen sich nicht stören. Ein paar Wenden weiter bleibt die Fock an der Saling hängen und das Achterliek reißt aus. Naja, kann passieren. Ohne Fock macht das Segeln nicht sooo viel Spaß, aber weil wir gerade einen prima Ankerplatz passiert haben, werden die Fetzen eben nur geborgen und ein paar Minuten später sitzt der Anker im Grund von „Hells Half Acre”. Keine Ahnung, warum der Platz zwischen den Inseln so heißt, aber bei so vielen Inseln und Ankerplätzen ist klar, dass die Namen irgendwann ausgehen und die Benennung albern wird: Der Toothache-Channel (Zahnschmerzkanal), Butter Island, Crotch Island, Saddleback Island etc. sind da nur ein paar weitere Beispiele. Besonders spaßig ist auch das winzige Fog Island, wo doch die ganze Gegend so nebelig ist! Ein paar andere Yachten und zwei elegante, alte Schoner teilen sich den malerischen Platz mit uns.

03.08.2007

Freitag, 03. August 2007

03.08.2007

Freitag, 03.08.07 – Bis Mittags, und auch noch durch die schmale Bilderbuchlandschaftspassage zwischen North Haven Island und Vinal Haven Island hindurch bleibt es sonnig. Aber dann schlägt der Nebel auf dem kalten Wasser wieder zu. Sicht null. Bis Wolfgang das Radargerät hat warmlaufen lassen, kann ich gerade noch einem Leuchtturm und einer anderen Yacht unter Segel ausweichen. Rundum tuten die anderen Schiffe, dazu das Läuten der Glockentonnen und Pfeifen der Heulbojen, eine gruselige Atmosphäre! Den Kurs zu halten ist auch unheimlich schwierig, weil man am Steuer überhaupt keine Orientierungsmöglichkeiten hat und ohnehin schon immer meint, ich führe bergab! Dazu die Hummerbojen zu tausenden, hier wird es nicht langweilig! Ganz vorsichtig tasten wir uns bis in die Ankerbucht Seal Harbor. Am Abend sorgt ein Gewitter für eine ordentliche Sound- und Lightshow, lässt mich aber ansonsten unbehelligt.

04.08.2007

Samstag, 04. August 2007

Samstag, 04.08.07 – Weiterhin dichter Nebel. Monika und Rosi haben schon wunde Lippen vom Tuten auf meinem Muschelnebelhorn, deshalb machen wir auch nur 14 Meilen. Kurz vor Friendship lichtet sich der Nebel dann, und nach einem kurzen, gewittrigen Schauer wird es wieder völlig wolkenlos und sonnig. Der kleine Ort macht seinem Namen alle Ehre, denn am Ufer bietet ein Einheimscher meiner Crew seinen Wagen zum Einkaufen an, der Schlüssel steckt. Im Plüschmobil zum Lebensmittelladen oben auf dem Hügel, von der Pommesbude noch schnell ein paar Jakobsmuscheln und Scampis, ein paar Fotos vom Friedhof mit der netten Katze und dann wieder hierher zurück an Bord. Heute Abend wird nämlich das Feuerwerk nachgeholt, das zur Zweihundertjahrfeier des Ortes vor zwei Woche ausgefallen ist, wegen Nebels natürlich! Geballert wird von einer schwimmenden Plattform aus – ca. 50 Meter hinter meinem Heck. So nah war ich noch nie dran, obwohl ich in New York ja auch schon in der ersten Reihe schwamm! Grandios.

05.08.2007

Sonntag, 05. August 2007

Sonntag, 05.08.07 – Ganz leichte Brisen ziehen mich weiter nach Westen. Eigentlich wäre am Abend mal wieder ein Hummer fällig, deshalb wird Ebenecook Harbor angesteuert, wo es laut Hafenhandbuch eine „Full Service Marina” geben soll. Leider schließt „Full Service” kein Restaurant ein, deshalb werde ich ein paar hundert Meter weiter (so dicht liegen hier die Ankerplätze beieinander!) in der Love Cove verankert. Einsamkeit, Stille, Sternegucken. Jupiter steht ja immer noch mit seinen Monden im Skorpion, der Andromeda-Nebel ist sichtbar, die ISS zieht zweimal vorbei und die Sternschnuppen lassen keine Wünsche offen.

06.08.2007

Montag, 06. August 2007

Montag, 06.08.07 – Es ist bewölkt! Das hatten wir eigentlich noch gar nicht, denn entweder war es bisher sonnig – oder neblig. Die Windrichtung ist Südost -auch neu. Aber passend: Halber Wind, Vollzeugbrise, Rauschefahrt. Bis eine Hummerboje mich bremst. Irgendwann musste es ja so weit sein. Rosi halst mich ins Beiliegen und Stefan und Wolfgang lassen das Beiboot zu Wasser, fangen und kappen die Leine und haben Glück: Die Leine hing nur am Ruderblatt und nicht am Propeller, kein Problem, ein Souvenir, nämlich die Boje, mehr an Bord. (Für alle Tierfreunde: Der Hummerkorb ist natürlich für den Fischer verloren. Da das aber öfters passiert, haben die Fallen eine Fluchtklappe, damit der verwaiste Korb nicht zur immerwährenden Mördergrube wird.)
Kurz vor Jewell Island werden die Wolken immer dichter, und kaum, dass mein Anker sitz, geht ein schweres Gewitter mit Sturmböen nieder. Zwei Yachten gehen auf Drift, eine sitzt eine Weile auf dem Strand fest, kann sich aber mit der Flut alleine wieder befreien. Ich muss nur um die Festmacheboje des Naturparkwärters herumgelotst werden, als der Wind auf Nord dreht, ansonsten hält mein Anker. wie festbetoniert. Also wie immer. Wolfgang hat vom Bojenausweichmanöver trotzdem nasse Socken. Aber die waren eh reif für die Wäsche.
Weil es bei solchem Wetter unter Deck am gemütlichsten ist, wird mal wieder Stubenmusik gemacht. Das Akkordeon kommt erstmalig zum Einsatz, und die kleine Flöte aus Irland darf auch mal wieder an de Luft. Eine neue Variante für alle Kanonliebhaber: Wenn man die drei Stimmen von „Heut kommt der Hans zu mir” nicht nacheinander singt, sondern eine Gruppe immer den gleichen Abschnitt wiederholen lässt, dann geht das genau so lange gut, bis die Partei, die „Ob er aber über Oberammergau oder aber über Unterammergau” singen muss, in Lachen ausbricht. Also maximal 30 Sekunden. Aber dreißig sehr, sehr lustige Sekunden…
(Barbara meint, das läge nur am „Famosen Grausen” und am frisch creierten Vanillelikör, aber Musikabende sind hier ja immer spaßig!)

07.08.2007

Dienstag, 07. August 2007

Dienstag, 07.08.07 – Ohne Nebel wäre es einfach nicht Maine. Aber bis nach Portland ist es nicht mehr weit, und so tutet es hier an Bord auch für die letzen Meilen. In der Hafeneinfahrt reißt der Nebel dann auf, das ist typisch für Städte, deren warme Straßen und Gebäude den Nebel schneller auflösen. In DiMillos Marina bekomme ich die paar Liter Diesel, die ich gebraucht habe aufgefüllt, und dann liege ich schon am reservierten Liegeplatz.
Die Mannschaft erkundet die Altstadt ein wenig und lässt beim abschließenden Lobster-Fest nochmal den Törn Revue passieren: Land und Leute sind wundervoll, erinnert alles ein bisschen an Schweden, nur viiiiel größer. Trotzdem kein Wunder, dass man so viele Volvos sieht. Die Inseldichte ist unglaublich – Seekartenausschnitt für Seekartenausschnitt an die hundert Stück. Die Natur scheint trotz der Millionen Hummerbojen intakt, nirgendwo sonst haben wir so viele verschiedene Seevögel gesehen wie hier. Das Wetter hat bis auf den Nebel auch gepasst, zwischen den Inseln hatte ich nicht einen einzigen Tag gegen Seegang zu kämpfen, meistens war ich landumschlossen unterwegs. Fazit, wie so oft: Schade, dass der Törn vorbei ist, aber schön, dass es so schön war!