Von Kanaren nach Kapverden – März 1999

07.03.1999

Sonntag, 07. März 1999

Sonntag, 07.03.99 – Nach der Schiffs- und Sicherheitseinweisung und den letzten Formalitäten legen wir ab. Bunkern kann man Sonntags sowieso nicht vernünftig, also segeln wir lieber bei leichter Brise aus Nordost nach Mogan.
Hans und Markus machen sich in Ruhe mit meiner Ausrüstung vertraut, und Wolfgang stiert gebannt auf den neu gestrichenen Wassertank: Dicht oder nicht dicht, das ist hier die Frage!? (Dicht- nach einmal Schrauben am Deckel nachziehen…)
Die Nachteinfahrt nach Mogan machen wir Gustav- und radargestützt, weil nämlich zwei kurze Schauer den Aufenthalt im Cockpit ungemütlich machen. Mir macht der Regen ja nix aus, aber die Menschen – merkwürdig!

08.03.1999

Montag, 08. März 1999

Montag, 08.03.99 – Achthundert Mark kostet das große Bunkern. Und dauert fast den ganzen Tag, bis so alles besorgt ist.
Die Lebensmittel werden bis an die Gangway geliefert, aber dann müssen sie noch gestaut werden. Das Angelzeug muß z.T. ersetzt werden und so allerlei Kleinkram fällt einem dann ja auch noch ein: Tropenhelme zum Beispiel, hoffentlich kann man die auf dem Foto erkennen!
Zur Belohnung gibt es am Abend ein klasse Jazzkonzert, zu dem Lipso mit einem Negativ-Muster seiner selbst (also mehr weiß als schwarz im Fell) die Showeinlagen liefert, incl. unfreiwilligem Bad im Hafenbecken, manchmal ist mein Bordhund ja echt peinlich…

09.03.1999

Dienstag, 09. März 1999

Dienstag, 09.03.99 – Irgendwann gibt es dann keinen Grund mehr, im Hafen zu bleiben. Um 12.30 h werden die Achterleinen und die Mooring gelöst, kurze Zeit später werden die Segel gesetzt und Südkurs angelegt.
Der erste Tag beim Langstreckensegeln vergeht üblicherweise hauptsächlich mit zwei Tätigkeiten. Zuerst wird die Wacheinteilung klargemacht, nachts ( von 20.00 h bis 08.00 h) wird alle drei Stunden gewechselt, tagsüber alle vier Stunden. Das nennt sich „Schwedisches System“ und ist schön gerecht, weil niemand den ganzen Törn lang Hundewache gehen muß. Die zweite Tätigkeit ist das Wetten auf die Ankunftszeit: Wolfgang tippt auf Mittwoch um 07.00 h in der Früh, Hans auf Dienstag um 22.30 abends und Markus ist am mutigsten und tippt auf Montag um 16.43 h am Nachmittag.
Gesamtstrecke sind 780 Seemeilen, da könnt ihr ja selber mal rechnen, was für Etmale wir für welchen Tip bräuchten!
Ein paar Delphine verabschieden uns kurz vor Sonnenuntergang, dann verschwinden die Lichter von Gran Canaria nach und nach, und irgendwann sind wir dann alleine auf dem großen Teich…

10.03.1999

Mittwoch, 10. März 1999

10.03.1999

Mittwoch, 10.03.99 – Das mit den Passatwinden ist so: Aus einem mittelatlantischen Hochdruckgebiet, üblicherweise mit Kern über den Azoren, strömt Luft rechtsherum heraus und fließt auf der Südseite des Hochs als Nordostpassat in die äquatoriale Tiefdruckrinne. Deshalb haben schon die Kanaren meistens Nordwind, das wäre ja toll für uns. Wäre!
Manchmal (heute!!!!) ist das Azorenhoch nämlich einfach weg, und an seiner Stelle liegt ein Sturmtief (auch heute!!!). Dann hat man auf den Kanaren Südwestwind, das ist besch… für alle, die nach Südwesten wollen, so wie wir (logisch, nicht nur heute, sondern über eine Woche lang!!!)
Glücklicherweise dreht der Wind am Nachmittag wenigstens auf West, so das wir Kurs Kapverden anliegen können. Aber ansonsten ist das Wetter toll, blauer Himmel, drei bis vier Windstärken, Vollzeugbrise, nur aus ungewohnter Richtung.

11.03.1999

Donnerstag, 11. März 1999

Donnerstag, 11.03.99 – Heute geht die Astronavigiererei los.
Die Mittagsbreite wird schon mal auf eine Meile genau, das läßt ja für den Abend und die nautische Dämmerung hoffen! Vorher kriegen wir aber noch Besuch. Von einem Hai!
Da wundert es nicht mehr, das an den Angeln nichts beißt, wenn die Viecher alles wegfressen. Komisches Gefühl jedenfalls, wenn plötzlich so eine dreieckige Flosse neben meinem Rumpf auftaucht…
Sternegucken ist der Wahnsinn hier draußen. Kein Streulicht, keine Wolken und schon große Teile des südlichen Sternenhimmels, da muß auch der Skipper im „Starry-Night“-Programm auf dem Laptop so einiges nachschauen.
Der Schiffsort wird mit Venus (im Westen) und Sirius ( im Süden) bestimmt und ist auf sechs (Hans) bzw. acht (Markus) Meilen genau, und da beide noch nicht mit Sternen und Planeten navigiert haben, ist das ein ganz achtbares Ergebnis. Jedenfalls sollten die Jungs mich mit ein bißchen Übung auch bei GPS-Ausfall auf die Kapverden bringen!

12.03.1999

Freitag, 12. März 1999

12.03.1999

Freitag, 12.03.99 – Nachts weht nur ein laues Lüftchen, wegen der Dünung aus Nord muß der Bullenstander gesetzt werden,
sonst schlagen die Segel.
Trotzdem haben wir den nördlichen Wendekreis übersegelt und sind in den Tropen angekommen!
Ein Frachter auf dem Weg nach Brasilien auch, mit dem Rudergänger führt Wolfgang ein kurzes Funkgespräch.
Das nächstaufregende ist die Begegnung mit einer großen Seeschildkröte, aber Markus will unbedingt einen Wal sehen.
Könnt ihr das von Deutschland aus organisieren? Wir sind auf 22°33′ N und 018°46’W, Kurs 215°, z.Zt. laufen wir sechs Knoten, schickt doch mal so’n kleinen Finnwal oder so!

13.03.1999

Samstag, 13. März 1999

Samstag, 13.03.99 – Halbzeit! Und seit dem Mittag endlich Passat. Um 12.15 h wird die Genua nach Steuerbord geschiftet, der Wind bläst mir genau auf das Heck, die klassischen Passatwolken (Marke „Kinder malen den Himmel“) über uns, eine Schule Delphine macht Kunststückchen um uns herum, „Gustav“ (der Autopilot) schimpft ab und zu, wenn eine besonders hohe Welle mich etwas querschiebt, und die Mannschaft hat Zeit, mit einem Bierchen auf die zweite Hälfte der Reise anzustoßen.

14.03.1999

Sonntag, 14. März 1999

Sonntag, 14.03.99 – Warum Segler segeln, wissen sowieso nur die Segler. Es läuft. Einfach geradeaus.
Rundherum ist nur der Atlantik. Sonst nichts.
Irgendwann muß mal ein bißchen was an der Segelstellung geändert werden.
Das Barometer geht mal zwei Strich rauf und zwei wieder runter.
Die Crew liest. Oder kocht. Oder übt Astronavigation. Aber eigentlich hoffen alle, daß Sal doch noch etwas weiter weg ist, als es auf der Karte aussieht. Es gibt einfach keinen Grund am aktuellen Zustand irgend etwas zu verändern.
Alles ist, wie es sein soll.
Alles ist, wie es bleiben soll.

15.03.1999

Montag, 15. März 1999

Montag, 15.03.99 – Die letzte Nacht, die letzten Wachwechsel, dann kommt der Sekt in den Kühlschrank.
Wolfgang legt die „Badesalz“-Kassette ein, damit die Endzeitstimmung vertrieben wird. Zwei Fliegende Fische haben an Bord Selbstmord begangen, aber so trübsinnig sind wir noch nicht.
Die Strecke liegt hinter uns, aber das Abenteuer Kapverden liegt vor uns. Trotzdem schonmal: „Schönen Dank, großer Teich, war`ne tolle Reise!“ Und dann haben wir uns anscheinend doch versegelt. Da taucht nicht Sal auf, die nordwestlichste der Kapverdischen Inseln, sondern man hat uns in einer der vergangenen Nächte in eine andere Galaxie gebeamt.
Der Wüstenplanet liegt vor uns. Braunrot. Kahl. Leer. Kein Strauch. Kein Lebewesen. Kein Anzeichen von Zivilisation. Nichts. Gar nichts. Überhaupt nichts.
Ein 407 m hoher Haufen Nichts. Auf dem plötzlich ein Flugzeug landet. Auf dem zwei Kaps weiter ein paar Öltanks stehen. Und doch ein paar Häuser. Und dann doch ein paar Segelschiffe.
Das muß Palmeira sein. Zollhafen. In dem die ca. zwanzig vor Anker liegenden Yachten die Hälfte der Behausungen darstellen. An der Mole liegt ein Stückgutfrachter, der von Hand entladen wird.
Markus gewinnt die Ankunftswette, um 15.52 h fällt der Anker. Mit dem Beiboot zum Einklarieren hinter dem Fischfabrikchen, dann mit dem Taxi durch die Wüste zum Flughafen, da ist die Einwanderungsbehörde. Das geht alles reibungslos!, auch Lipso darf an Land.
Beim Abendessen im einzigen Restaurant in Palmeira (wird von einem hängengebliebenen italienischen Segler in seinem Wohnzimmer geführt) die Diskussion: Wenn es nicht der Wüstenplanet ist, dann muß es das Ufer des Tschad-Sees in Zentral-Afrika sein. Hallo!? Hört ihr uns??

16.03.1999

Dienstag, 16. März 1999

16.03.1999

Dienstag, 16.03.99 – Wir segeln vier Meilen nur unter Fock an der Wüste lang. In der Seekarte steht im Scheitel der Bucht von Mordeira eine Palme, das Zeichen für Oase. Also Kurs Richtung Oase, vor felsiger Küste mit kleinen Stränden ankern und die Einsamkeit bestaunen. Der Passat weht kühl.
Am Ufer eine Bauruine, beim Landausflug stellt die Mannschaft fest, das hier immerhin mindestens vier Menschen wohnen. Und drei Hunde. Und zwei Katzen. Auf einer Strecke von fünf Meilen. In der besten Ankerbucht auf Sal. Der Skipper kocht Kohlauflauf und spielt mit Hans später Gitarre.
Das ist sicherlich das aufregendste, was diese Bucht in den letzten Monaten gesehen hat!

17.03.1999

Mittwoch, 17. März 1999

Mittwoch, 17.03.99 – Immer an der Düne lang, dann um die Düne rum: Anker fallen lassen vor der Strandbar, Paradies doch noch gefunden.
Es heißt Santa Maria, ist ein kleines Kaff mit ein paar einfachen Hotels, einem Holzsteg für die Fischer und dem Strand.
Pro Person zwei Quadratkilometer weißer Sand im kühlenden Passatwind.
Hier bleiben wir. Und ob wir hier jemals wieder ablegen, weiß der Skipper noch nicht.

18.03.1999

Donnerstag, 18. März 1999

Donnerstag, 18.03.99 – Hafentag. Oder besser Buchttag. Strandwandern. Schwimmen. Die Sonne genießen.
Die vier anderen Touristen kennenlernen. „Eleanor Rymill“ herlotsen und begrüßen.
Faulenzen.
Dinghi putzen. (Also, in dem Steg, wo das Dinghi tagsüber liegt, da sind nämlich Lücken.
Und der Steg ist sowas wie der Fischmarkt von Santa Maria. Naja, und der Wind hat das Dinghi halt unter den Steg getrieben. Und oben drauf haben die Fischer die Fische ausgenommen. Und die Eingeweide und die Schuppen immer man ab durch die Lücke…
…noch Fragen?!)

19.03.1999

Freitag, 19. März 1999

Freitag, 19.03.99 – Siehe Donnerstag, nur die Sauerei mit dem Beiboot konnte vermieden werden…
Außerdem sind meine Jungs am Abend fürchterlich versumpft. In der Strandbar war nämlich Afrikanischer Folklore-Abend. Nur war der leider mehr oder weniger gerade beendet, als meine und „Eleanor Rymills“ Mannschaft vom Abendessen kamen. Deshalb mußte der Folklore-Abend mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten (hauptsächlich Trommeln und Gitarren) in Eigenregie verlängert werden.
Bis um 05.00 h am …

20.03.1999

Samstag, 20. März 1999

20.03.1999

Samstag, 20.03.99 – ..,deshalb konnten die neuen Gäste mich auch nicht in Palmeira finden.
Da ist zwar der offizielle Hafen der Insel, aber ansonsten nichts. Heike und mein Funker Dirk aus Siegen und Aldo und Doris aus der Schweiz haben mich aber trotzdem gefunden, wenn auch mit einer Zwischenübernachtung im Fischerboot (Heike und Dirk) bzw. im Zelt (Doris und Aldo).
Wolfgang hatte sich nämlich gedacht, daß ich bestimmt da zuerst gesucht werde, wo die anderen Touristen hingefahren werden. Aber wenn der Skipper schon mal denkt…
Die glückliche Ankunft für die einen und der Abschied für die anderen werden im Restaurant „Pescador“ gefeiert.
Elf Leute insgesamt, und Frischestfisch bis zum Abwinken:
Als Vorspeise roh oder halbgekocht (Wolfgangs neue Lieblingsspeise!), Fischsuppe à la Bouillabaisse oder Thun-Tartar,
als Hauptspeise Thunfisch mit Bratkartoffeln und Speck oder Wahoo-Sushi oder à l’inspiration du Chef (gebacken mit etwas Anis, Wahnsinn!),
als Nachspeise Crème Caramel (hausgemacht, Kühlboote legen auf Sal nicht an!) oder Bananenkuchen oder Zuckerrohrschnaps…