Von Boston nach Boston – August 2000

10.08.2000

Donnerstag, 10. August 2000

Donnerstag, 10.08.00 – Ulrike und Nico sind schon seit ein paar Tagen in den USA, deshalb haben sie einen Leihwagen. Und der wird im nächsten Supermarkt vollgeladen, dann wird er am Steg ausgeladen und der Einkauf (incl. unter verschärften Bedingungen aufgeladener Gasflasche) in meine Staufächer umgeladen.
Nach der Schiffs- und Sicherheitseinweisung steht dem Ablegen also nichts mehr im Weg: Gemütliches Einsegeln bei Sonnenschein und leichter Brise. Das hört sich jetzt sicher unheimlich langweilig an, ist es aber überhaupt nicht. Dafür sorgen der Fähr- und vor allem der Flugverkehr! Bei Nordwestwind liegt die Einflugschneise nämlich quer über dem Hafen, und die Landebahn beginnt direkt am Ufer. Einmal führt der Triebwerksschub sogar zu einer Patenthalse, das hatten wir hier auch noch nicht!
Kurz vor Sonnenuntergang fällt der Anker hinter Gallops Island, und wenn man jetzt nicht wüsste, das „da hinten“ Boston liegt (und ein paar Disco-Dampfer vorbeizögen…), könnte das auch eine Schäre in Südschweden sein.

11.08.2000

Freitag, 11. August 2000

Freitag, 11.08.00 – Die Bostoner Ausflugsbootflotte findet „unsere“ Insel auch toll… und ein Ausflugsbootflottenkapitän ankert am allerschönsten Liegeplatz – also genau über meiner Ankerkette.
Das führt natürlich zu einem etwas komplizierteren Ablegemanöver unsererseits (denn normalerweise holt man ja nur einen Anker wieder auf, wenn man nur einen geworfen hat!) , die so entstandenen Mühen werden aber großzügig belohnt: Zwölf Dosen/Flaschen Bier wechseln den Besitzer!
27 Meilen hoch am Wind weiter weist uns das Taxiboot vom Manchester Yacht Club eine Gästeboje zu, eine gemütliche Kneipe wird auch gefunden…

12.08.2000

Samstag, 12. August 2000

Samstag, 12.08.00 – Kosten tut der Liegeplatz für Gäste nichts… eine Spende für die Weihnachtstombola, wenn man will. Und bei so netten und hilfsbereiten Menschen will meine Mannschaft.
Amerika „auf dem Lande“ ist schon angenehm! Einen „Crewwechsel“ habe ich noch zu melden: Das „Tomos-Wunder“ ( der Außenbordmotor) hat nach 15 tapferen Jahren nun doch das Zeitliche gesegnet. Schade, besonders, weil das Knattern (luftgekühlt!) Wolfgang immer so nett an den Rasenmäher in Warstein erinnert hat…
Andererseits auch wieder nicht so schade, weil „der Neue“ echte fünf PS hat. Deshalb würde Wolfgang natürlich am liebsten den ganzen Tag in der Bucht von Manchester bleiben und mit dem Beiboot rumdüsen.
Was wir dann alles verpasst hätten: Eine herrliche Kreuz am Ufer entlang nach Gloucester, ein gemütliches Kaffetrinken dort im Hafen, weil wir auf die Flut warten müssen – und dann die Fahrt durch den Blynman Canal hinter dem Cape Anne hindurch nach Annisquam. Auf der Seekarte sieht der Kanal so aus, wie ein Teil des Intracoastal Waterway weiter unten im Süden.
Tatsächlich ist er aber viel, viel schmaler, weder unter der Straßen- noch unter der Eisenbahnklappbrücke ist Platz für zwei Yachten gleichzeitig, und für den Rest der Strecke sorgt jede Begegnung für Herzstillstand beim Skipper, weil er dann ein paar Meter aus der Fahrwassermitte raus muss…
der einzige Trost: Das Wasser steigt noch ein paar Stunden lang, im Falle eines Falles heisst es also einfach: Warten auf mehr Wasser!
Der nicht so sehr mit Verantwortung belastete Teil meiner Besatzung genießt derweil den Ausblick auf eine wunderschöne, nordisch wirkende Landschaft am Ufer und den Einblick in die Ferien-„häuschen“ des wohlhabenderen Teils der hiesigen Bevölkerung…
In Annisquam am Nordende des Kanals weist uns das Taxiboot des Yachtklubs eine Gästeboje zu, das System funktioniert hier prima, kostet diesmal allerdings 25,- Dollar (Duschen im Clubhaus und Taxi-Service natürlich inclusive). Meine mit Erlebnissen vollgestopfte Mannschaft verzichtet aber auf Landgang und genießt weiter: Ulrikes Ratatouille, Wolfgangs Lieder und Rudis unglaubliche Geschichten aus über 60 Lebensjahren.

13.08.2000

Sonntag, 13. August 2000

Sonntag, 13.08.00 – Es ist wie in Deutschland: Am Wochenende wird das Wetter schlecht. Aus 22 Meilen werden durch das Aufkreuzen gegen Wind und Strömung 41 Meilen, mit dem letzten Licht schiebt uns die Flut an einen Liegeplatz in einer kleinen Marina in Portsmouth, Leinen fest und alle Mann/Frau zum Aufwärmen in die „Portsmouth Brewery“. (Die brauen in ihrem Keller alles mögliche, sogar Kölsch!)

14.08.2000

Montag, 14. August 2000

Montag, 14.08.00 – Im offiziellen Schiffslogbuch liest sich das ganz kurz und knapp: Ruhetag wegen anhaltendem Regen – Niesel – Regen – … Rundgang durch Portsmouth, Harbour Trail, Endstation: Molly Malone’s.
In Wirklichkeit ist das natürlich alles viel aufregender. Über eine Hebebrücke gelangt man von der Marina (die in Kittery, und damit in Maine liegt) nach Portsmouth (New Hampshire). Wolfgang schaut sich die Strömung unter der Brücke noch mal gemütlich von oben an, gestern hat sie ihm nämlich beim Anlegen ganz schön zu schaffen gemacht.
Eine von diesen Hummerkorbbojen im falschen Moment in der Schraube, und „Kurs West“ wäre zu Ende gewesen, weil ich dann nämlich hilflos unter die Pfeiler getrieben wäre…
Der „Harbour Trail“ ist dann ein schöner und interessanter Rundgang durch die Altstadt, die Fischer landen gerade ihren Fang an, meine Crew hilft beim Festmachen, die Möwen haben einen Hai auf das Dach der Genossenschaft geschleppt, und Ulrike übernimmt den kulturellen Teil der Stadtführung, schließlich hat sie Englisch studiert (und sie hat den Reiseführer…).
In der Irischen Kneipe „Molly Malone’s“ ist bis um 18.00 h Happy Hour, deshalb kosten alle Vorspeisen nur die Hälfte – das führt zu einer satten Mannschaft. Und das Guinness kostet auch nur die Hälfte, und zwar den ganzen Abend lang, obwohl es nach der ersten Bestellung schon sechs Mal vom Uhrturm glockt – das führt zu

15.08.2000

Dienstag, 15. August 2000

15.08.2000

Dienstag, 15.08.00 – Morgens regnet es immer noch, aber am Nachmittag soll es aufklaren.
Zur Feier dieser Voraussage wird groß eingekauft: Torte für den Nachmittagskaffe und lebender Hummer zum Abendbrot!
Ab 13.00 h ist es trocken, also gleitet meine Backbordhälfte in Maine und meine Steuerbordhälfte in New Hampshire durch die Fahrrinne: Mitten auf der Staatsgrenze stecke ich meine Nase wieder in den offenen Atlantik. Obwohl, ganz offen ist er nicht, ein paar Meilen vor der Küste liegen nämlich die Isles of Shoals, und nach zwei Stunden auf halbem Wind liege ich mal wieder an einer dieser praktischen Muringbojen.
Rudi schneidet den Kuchen an, Wolfgang und Matthias machen das Beiboot klar, und dann geht es mal wieder auf Erkundungstour. Heute ganz religiös: am Anlegesteg sitzt nämlich eine junge Dame, die Betriebsanleitungen für die Inseln verteilt.
Festes Schuhwerk tragen!
Kinder beaufsichtigen!
Nicht ans Wasser gehen!
Kein Alkohol! Rauchen nur auf der Veranda des Kongressszentrums!
Das Leben der Tierwelt und der religiösen Gemeinde nicht stören! …äähh??!!
Wolfgang deckt sich an der Rezeption des Zentrums mit religiösen Schriften ein, um dem Geheimnis dieser Sekte auf die Spur zu kommen. Aber wirklich erleuchtet wird er erst, als er hinter einem der Wohnbungalows eine Gruppe Männer sieht, die gemütlich ein paar Dosen Bier trinken. Ist wohl doch einfach ein ganz normales Erholungsheim…
Obwohl – nach dem grandiosen Hummeressen zurück an Bord kommen noch einmal Zweifel auf: Schrille Schreie zerteilen die Nacht – und danach hört man dumpfe Rhythmen über das Wasser schallen …
Initiationsriten?!
Teufelsaustreibungen?!
Oder…. doch nur eine Nachtwanderung (mit „Geistern“) für die Kinder und anschließend Squaredance für die Erwachsenen!

16.08.2000

Mittwoch, 16. August 2000

Mittwoch, 16.08.00 – Südwestwind! Ablegen – Segel setzen – fünf Stunden Vorwindkurs später wieder bergen – Hafenrundfahrt und Ankerplatzsuche in Biddeford Pool (leider keine Gästeboje frei, macht aber nichts, da ausnahmsweise genug Ankerplatz übrig ist) – Ankern – fertig.
Und manchmal sind die unspektakulärsten Tage die schönsten und gemütlichsten…

17.08.2000

Donnerstag, 17. August 2000

Donnerstag, 17.08.00 – Nordwestwind! Ablegen – Segel setzen – fünf Stunden Halbwindkurs später wieder bergen – Hummerbojenausweichmanöver (Milliarden!!!!) und Ankerplatzsuche hinter Cliff Island – Ankern – fast fertig.
Erst geht die Mannschaft nämlich noch an Land und sammelt das Abendessen von den Felsen: Es gibt frische Miesmuscheln vom nördlichsten Ankerplatz unserer Reise (in der wunderschönen, mal wieder sehr skandinavischen Inselwelt nördlich von Portland)!

18.08.2000

Freitag, 18. August 2000

Freitag, 18.08.00 – Zurück durch die „Schären“, wieder nach Süden. Faszinierend, weil wir hier immer noch deutlich südlich von Portoroz sind!
Da wird es einem erst einmal bewußt, was für eine Heizung der Golfstrom für Europa ist! (und was für eine Kühlanlage der Labrador-Strom für die Küste hier ist!)
Am Nachmittag lässt der Wind nach. Das macht nichts, weil der Wald an den Ufern das Saco-River das Segeln sowieso unmöglich macht. Und dann noch drei bis vier Knoten Strömung von vorne…
Aber die Flußfahrt lohnt den Aufwand, das Städtchen Saco dagegen nicht wirklich, wenn man von dem China-Restaurant absieht, wo man für zehn Dollar Essen kann, bis man umfällt. (Der Großteil der Gäste sieht umfangmäßig sehr nach Stammkunden aus…)

19.08.2000

Samstag, 19. August 2000

Samstag, 19.08.00 – Den Fluß runter geht es natürlich etwas schneller, auch wenn ich zweimal unsanft gebremst werde (Sandbänke…)
Wieder „draußen“ übernimmt „Gustav“ bei ganz leichter Brise das Ruder und steuert mich nach York. Und da hört die Mannschaft dann ein Funkgespräch mit, in dem der Hafenmeister ein anderes Schiff einen Hafen weiter schickt. Und dann kommt der Hafenmeister persönlich mit seinem Bötchen längsseits und sagt uns, dass ich nicht an der Boje liegenbleiben darf – sondern bei der kleinen Werft am Ufer an den Schwimmsteg längsseits gehen soll!
Super!!!
Schon wegen des angeschlossenen Restaurants!!!

20.08.2000

Sonntag, 20. August 2000

Sonntag, 20.08.00 – Morgens kommt der Werftbesitzer und drängt zu Eile, ich blockiere die Tankstelle. Kosten tut die Übernachtung nix, „It’s O.K.!“
Bei blauem Himmel, zwei Reffs im Großsegel, fünf ablandigen Windstärken, glatter See und sieben Knoten auf der Logge erspäht der Skipper eine deutsche Flagge: Die Najad „Azimut“ kommt auf! Großes „hallooo“ und die Verabredung, gemeinsam durch den Blynman-Kanal das Kap St. Anne abzukürzen und in Gloucester anzulegen sind die Folge.
Ich bekomme wieder einen glücklichen Umsonst-Liegeplatz (längsseits bei Bill, der seinen Trawler „Odessa“ gerade repariert und deshalb fest liegt) im Fischereihafen, und nach Stadtrundgang und Abendessen versumpfen beide Besatzungen (Ursula und Eckhardt von der Azimut) im „Crow’s Nest“, das kennen alle, die „Der Sturm“ im Kino gesehen haben…

21.08.2000

Montag, 21. August 2000

21.08.2000

Montag, 21.08.00 – Die letzten Meilen bis in die Inseln vor Boston scheinen schon ganz im stillen Genießen unterzugehen, als plötzlich ein Fisch beißt!
Und rangeholt wird!
Und schon über der Badeplattform hängt!
Und dann versagt der Skipper, weil er zu zögerlich ist….
Also Angel wieder raus – und keine Minute später beißt der nächste. Vorsichtshalber übernimmt Rudi dieses Mal den Nahkampf – und gewinnt!
Noch schnell hinter Brewster Island ankern, und dann gibt es endlich mal wieder Frischestfisch bei Sonnenuntergang! Matthias und Wolfgang packen später noch die Gitarren aus…

22.08.2000

Dienstag, 22. August 2000

Dienstag, 22.08.00 – Noch einmal Schwimmen gehen, noch einmal im Cockpit frühstücken, noch einmal das Wasser- und Luftverkehrschaos im Hafen von Boston bestaunen. Und dann sind 324 Meilen voll.
Ich bekomme den alten Liegeplatz in der Rowes Wharf Marina, und die Mannschaft bekommt ein prima Abschiedsessen in den Quincy-Markthallen.

23.08.2000

Mittwoch, 23. August 2000

Mittwoch, 23.08.00 – Ich bekomme meine Streicheleinheiten (das übliche Schiffsputzen!), dann steigen Ulrike, Nico und Rudi in ein Taxi zum Flughafen!
Gute Reise und bis nächstes Jahr!
Matthias bleibt noch ein paar Tage, zusammen mit Wolfgang und einem Wunderputzmittel restauriert er meine Rumpffarbe von „eher gelb“ (noch vom Intracoastal Waterway) zurück zu „tatsächlich wieder weiß“, das muss gefeiert werden!

24.08.2000

Donnerstag, 24. August 2000

Donnerstag, 24.08.00 – Und nach der Feier haben sie mich dann an die falsche Boje gehängt. Zur Strafe geht es weiter im Maritimen Pflegedienst: Ankerwisch neu fetten, Relingsnetz nachspannen…

25.08.2000

Freitag, 25. August 2000

Freitag, 25.08.00 – Hauptsächlich bekomme ich heute ein neues GPS-Antennenkabel eingebaut. Das muß natürlich erstmal gekauft werden, was länger dauert, als der eigentliche Arbeitsteil, aber am Abend ist dann alles fertig.
Zur Belohnung verholen sich die beiden Bastler in den Irish Pub, sehen dort die Live-Übertragung Red Sox gegen Devil Rays und rätseln über die Baseball-Regeln („…und warum hat der jetzt plötzlich nach hinten geworfen??!)…

26.08.2000

Samstag, 26. August 2000

Samstag, 26.08.00 – Matthias fährt früh morgens mit dem Zug nach New York, Wolfgang räumt ein bißchen auf und gönnt sich ansonsten heute und am

27.08.2000

Sonntag, 27. August 2000

Sonntag, 27.08.00 – Ein Boston-Besichtigungs-Wochenende.
Schließlich ist hier die amerikanische Verfassung das erste Mal verlesen worden, die Boston-Tea-Party (der Startschuss zum Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten) fand direkt neben meinem Liegeplatz statt, und in den restaurierten Markthallen locken Köstlichkeiten aus aller Herren Länder.

28.08.2000

Montag, 28. August 2000

Montag, 28.08.00 – Einerseits war der „Rote Renner“ (das Dinghi) ja ein echtes Stück von mir. Liebgewonnen in über 15 Jahren und immer noch ungeflickt! Aber nichts hält ewig, auch keine Gummihüllen.
Jedenfalls klappert Wolfgang sämtliche Ausrüster in Boston ab und entscheidet sich für ein nagelneues „Quicksilver“. Das hat deutlich dickere Auftriebskörper, und das ergibt deutlich weniger nasse Hintern! Zusammen mit dem neuen Außenborder bin ich jetzt also beibootmäßig „state of the art“!

29.08.2000

Dienstag, 29. August 2000

Dienstag, 29.08.00 – Die letzten Vorbereitungen für die neue Crew und dann ist schon wieder

30.08.2000

Mittwoch, 30. August 2000

Mittwoch, 30.08.00 – Als erster trudelt Matthias Typelt ein, am Nachmittag stoßen Sabine Follner und Holger Jauch (alle aus München) dazu, und damit ist die Mannschaft schon komplett (und kurze Zeit später ausgehfertig zum Kennenlernabendessen).
Zum Absacker bietet sich wieder der Irish Pub an, und Wolfgang hat eine Offenbarung, weil Matthias ihm die Baseball-Regeln erklärt. Man lernt eben täglich dazu!