Von Boston nach NewYork – September 2000

14.09.2000

Donnerstag, 14. September 2000

Donnerstag, 14.09.00 – Die von der Marina geliehene Schubkarre sorgt im Supermarkt für ein wenig Aufsehen, ansonsten verlaufen das Bunkern und die anschließende Schiffs-und Sicherheitseinweisung wie bei jedem Crewwechsel: anstrengendes notwendiges Übel einerseits, aber viel Vorfreude und Interesse andererseits.
Am Nachmittag legen wir ab, eine schöne Brise und die Skyline im Sonnenuntergang versüßen den endgültigen Abschied von Boston und Rowes Wharf. Mit den ersten Kreuzschlägen im Hafenbecken lernt mich die neue Mannschaft schnell kennen, nach acht Eingewöhnungsmeilen ankern wir in Perry’s Cove. Ganz einsam einerseits, aber mit Blick auf die hektische Großstadt andererseits.

15.09.2000

Freitag, 15. September 2000

Freitag, 15.09.00 – Ein Kaltfrontdurchgang mit Blitz und Donner und sintflutartigem Regen verzögert das Ablegen und beschert der Mannschaft ein üüüüberlanges, gemütliches Frühstück. Dann klart es auf, Segel hoch und weg!
Beim Anlegen im Yachthafen von Scituate kann Wolfgang (aus Verwechselungsvermeidungsgründen von nun an „d.Ä.“ für „der Ältere“, wenn der Bad Mergentheimer gemeint ist, und „d.J.“ für „der Jüngere“, wenn der Skipper gemeint ist!) seine frisch gewachsenen Seebeine gleich am wackeligen Schwimmsteg ausprobieren. Es kommt aber nur zur Beinahe-Katastrophe…
Zum Abendessen empfiehlt der Hafenmeister die Bar über dem Restaurant, da ist es nämlich gemütlicher.
Stimmt! Auch wenn ein Teil des Gemütlichkeitsgenusses durch das Betrachten der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele verloren geht. Glücklicherweise marschiert die deutsche Mannschaft sogar zwischen zwei Werbepausen ein (die Briten wurden im Gegensatz dazu erbarmungslos überblendet…), wenn das kein gutes Omen ist!

16.09.2000

Samstag, 16. September 2000

Samstag, 16.09.00 – Traumwetter: strahlend blauer Himmel, leichte Brise von Achtern, die Fock ausgebaumt, das Großsegel mit dem Bullenstander gesichert, schade, dass Plymouth schon um 16.00 h erreicht ist, aber so bleibt nach zwei Anlegemanövern (am ersten Liegeplatz hätte das Wasser bei Ebbe nicht gereicht!) noch Zeit, um auf den Spuren der Pilgrim-Väter zu wandeln, das kann man hier nämlich reichlich!

17.09.2000

Sonntag, 17. September 2000

Sonntag, 17.09.00 – Die Nordseesegler unter euch werden das mit den Gezeiten ja kennen: Entweder ist der Wasserstand zu hoch oder zu niedrig, wenn es nach Gezeitenkalender dann endlich mal mit der Strömung passen sollte, dann kommt der Wind aus der falschen Richtung, und optimal sind die Bedingungen generell um 05.00 h in der Frühe…
Heute ist das Dilemma folgendes: Einerseits müssen wir spätestens um 09.00 h aus der Lagune raus sein, weil es sonst schwierig gegen die Flut wird. Andererseits dürfen wir nicht vor 12.30 h am Cape Cod Canal sein, weil uns sonst vier Knoten Strom gegenan stehen. Bis dahin sind es aber nur zwölf Meilen, also muss ich „gebremst“ segeln, damit alles passt. Was es dann auch tut.
Allerdings frischt im Kanal der Wind auf nicht angekündigte sieben Beaufort aus Südwest auf. Das führt gegen unseren schönen Schiebestrom schon im Kanal selbst zu ganz schön kabbeliger See; in der Westausfahrt gleicht die Wasseroberfläche dann mal wieder (siehe den einen oder anderen Karibik-Törn!) einem Eierkarton. Nur das die einzelnen Pyramiden einen guten Meter hoch sind!
Das erstmögliche Schlupfloch ist die Onset-Bay, eine Gästeboje ist auch noch frei, am Ufer gibt es ein nettes Städtchen mit Supermarkt und Hamburgeria, – und morgen werden die Eierkartons ja wohl wieder weg sein!

18.09.2000

Montag, 18. September 2000

Montag, 18.09.00 – Na also: Geht doch, das mit dem glatten Wasser mit gleichzeitiger schöner Brise bei Sonnenschein. Wolfgang d.J. zeigt der Mannschaft das Gerät, mit dem man so schöne Sonnenuntergänge basteln kann und danach sogar weiß, wo man ist: es wird Astronavigation geübt!
Martha’s Vinyard bleibt an Backbord liegen, erst in Cuttyhunk Harbor findet der schöne Segeltag ein Ende. Wo vor ein paar Wochen noch der Yachthafen überfüllt war, das Bojenfeld voll war, die Reede vor dem Hafen voll war – da sind jetzt schon die Schwimmstege abgebaut und ganze sieben Yachten teilen sich die schöne kleine Lagune.
„Blacky“ wäre bestimmt auch ein guter Bordhund geworden, jedenfalls schließt sie meine Jungs und Mädels gleich ins Herz und begleitet sie auf dem Inselrundgang. Damit ist die junge Schäfermischlingshündin definitiv das Lebhafteste auf der ansonsten im Nachsaisondornröschenschlaf schlummernden kleinen, schönen Insel. (Die Kaninchen hoppeln auch noch ganz vergnügt herum, aber das machen die ja irgendwie immer!)
Wolfgang d.Ä. vergißt beim ersten Telefonanruf den Geburtstag seiner Frau, merkt es aber noch und spült pflichtbewußt und in Erinnerung an daheim tapfer ab.

19.09.2000

Dienstag, 19. September 2000

Dienstag, 19.09.00 – Fast hätte es geklappt, dass wir unter Blister in Newport einlaufen! In der Segelhauptstadt der USA-Ostküste. Leider schläft zehn Meilen vorher der Wind ganz ein, und erst direkt vor der Einfahrt brist es wieder auf.
Newports Zwölfer-Flotte (wunderbare, riesige Sloops, einige davon Ex-America’s Cup-Verteidiger) nutzen die Brise noch zum Regattatraining, aber da könnte ich nun wahrhaftig ohnehin nicht mithalten, also legt Sylvia mich gut, aber unspektakulär und ganz normal unter Maschine an. Außerdem drohen dunkle Wolken mit Schauern, und außeraußerdem lockt die Altstadt mit ein paar guten Restaurants!

20.09.2000

Mittwoch, 20. September 2000

Mittwoch, 20.09.00 – Das Ablegemanöver glückt ausnahmsweise erst beim zweiten Versuch, weil eine Bö mich zunächst zurück an den Steg drückt. Sagt der Skipper, weil er nämlich selbst am Ruder steht…
Endlich draußen weht wieder eine schöne Brise, aber eine hohe Dünung aus dem Süden macht den Tag zumindest für Gerdi und Roland etwas unangenehm.
Maritime Unpäßlichkeit… die Roland allerdings nicht daran hindert, auf dem (Gott sei Dank!) überspülten Vorschiff zusammen mit Dietmar heldenhaft die Fock zu wechseln.
Abends auf Block Island (auch schon ziemlich nachsaisonmäßig ruhig!) sind dann aber alle schlagartig wieder gesund, vor allem in der kleinen Kneipe bei der Bumper-Billard-Partie gegen Phil.
Bumper-Billiard wird auf einem kleinen Billiard-Tisch, auf den Höcker (Bumper) aufmontiert sind, gespielt. Löcher gibt es nur zwei, jeweils fünf Kugeln müssen in das gegenüberliegende Zielloch gespielt werden. Sehr einfach und sehr lustig! Und Phil ist einer dieser offenherzigen Amerikaner, die Fremde ansprechen und zum Mitmachen (bei was auch immer) einladen.
Und das ist eigentlich auch sehr einfach und sehr lustig, nur in Europa leider genauso wenig verbreitet wie Bumper-Billiard…

21.09.2000

Donnerstag, 21. September 2000

21.09.2000

Donnerstag, 21.09.00 – Mit einem Reff im Großsegel und der kleinen Fock hoch am Wind zum Fisher Island Sound. Die Mannschaft vorsichtshalber vormittags mit Lifebelts, erst im geschützten Sound (Sund) wieder ohne zumal die Sonne wieder scheint. (Morgens schien sie auch, dann war wieder einer dieser typischen Frontdurchzüge, danach dann wieder alles prima; die abrupten Wetterwechsel hat Sylvia zeichnerisch im Logbuch festgehalten, das ist viel besser als die offiziellen Symbole, denn was bitte ist an einem Regenschauer dreieckig?!!)
Die Flußfahrt unter Segel den Mystic River hinauf muß man einfach erlebt haben, das glaubt ja sonst wieder keiner. Und das ich dann mitten im Museum anlegen kann, und dass man mitten im Museum herumlaufen darf, auch wenn es schon längst geschlossen hat und das Mystic Seaport überhaupt einfach toll ist…
Der Brückenwärter hätte nicht unbedingt zum Essen gehen müssen, als er eigentlich für uns aufmachen sollte- aber ansonsten gibt es hier und heute einfach nix zu nörgeln!

22.09.2000

Freitag, 22. September 2000

Freitag, 22.09.00 – Und ausländische Yachten brauchen noch nicht mal was bezahlen! Keinen Eintritt ins Museum, keine Liegeplatzgebühr. Und für diesen sagenhaften Preis kann man ca. zwei Dutzend Ausstellungen/Vorführungen in ebenso vielen historischen Gebäuden/Schiffen anschauen.
Übrigens hat die Sonne gerade eine riesige Eruption links unten, zum Betrachten steht extra ein Museumswärter (die hier nichts -aber auch gar nichts Wärterhaftes haben, sondern eher als freundliche Lehrer auftreten!!) vor dem Planetarium und lässt die Besucher durch ein Schattenglas schauen.
Wolfgang d.J. verlängert aus blankem Eigennutz die Landfreizeit, aber um 13.00 h müssen wir dann doch los, da New York uns wohl kaum entgegenkommen wird!
Die Strömung schiebt mich zwar nach Westen, aber der Wind kommt von dort, so erreichen wir Saybrook erst mit dem letzten Tageslicht. Was auch mal schön ist, schon wegen des Sonnenunterganges.
Gerdi steuert mich bis an die Marina, ein freundlicher Hafenmeister weist den Weg zum wohlverdienten Abendessen.

23.09.2000

Samstag, 23. September 2000

Samstag, 23.09.00 – Wolfgang d.J. summt den ganzen Tag lang „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang – sei gelobet der Name des Herrn, sei gelobet der Na-ha-me des Herrn…“.
Die Mannschaft versucht verzweifelt, ihm einen anderen „Ohrwurm“ einzuflüstern, aber nichts anderes passt so gut zum heutigen Tag. Erstens segeln wir tatsächlich so lange (weil uns New York weiterhin nicht freundlicherweise entgegenkommt), und zweitens bläst den ganzen langen Tag lang eine prima Halbwindbrise aus Süd (bei Kurs West), erst nach 50 Meilen bewölkt es sich immer mehr, aber zum Ausgleich kann man schon die Skyline von Manhattan am Horizont erkennen, als wir in Black Rock Harbor/Bridgeport einlaufen.
In der Hochsaison scheint hier der Bär los zu sein, heute ist es ruhig, eine nachgebaute Fregatte liegt auf Gäste und Trainees wartend am Steg hinter uns, erst am Abend ändert sich die Situation schlagartig: Im Restaurant findet die Saisonabschlussdisco statt, und weil das dazugehörige Partybuffet in den fünf US$ Eintritt inbegriffen ist, lässt sich meine Crew ein paar Stunden lang zudröhnen… (Roland und Dietmar sogar ein paar Extra-Stunden lang, weil sie noch „Gespräche“ mit einer junge Amerikanerin zu führen haben…)

24.09.2000

Sonntag, 24. September 2000

24.09.2000

Sonntag, 24.09.00 – Nachts (wie praktisch!) geht wieder eine Kaltfront durch, danach dauert es bis in den frühen Nachmittag, bis der Wind auf Nordwest dreht.
Dicht unter Land ist die See glatt, aber es bläst in Böen bis fünf Beaufort, herrliches Segeln! Kurs immer auf die beiden Türme vom World Trade Center zu, bis Mamaroneck schaffen wir an diesem Nachmittag noch, dann wird es dunkel, Zeit für die nächstgelegene Pizzeria in dem kleinen Städtchen.

25.09.2000

Montag, 25. September 2000

Montag, 25.09.00 – Strahlend blauer Himmel, leichte Brise von achtern, die Crew nutzt die Gunst der Stunde (und eigentlich das Glück mit dem Wind in den letzten Tagen), um einen Tag vor Törnende nach New York zu segeln.
Nur ankommen und dann wegfliegen wäre ja auch irgendwie albern!
Durch die ersten Brücken können wir noch prima segeln, erst im „Hell’s Gate“ kommen wir in den Windschatten der Wolkenkratzer. Wolfgang d.J. hatte aber ohnehin schon Schwierigkeiten genug, nicht fotografierende Crewmitglieder für die letzten Segelmanöver zu finden:
Wenn jeder auf seinem eigenen Fotoapparat ein Bild von sich und dann noch vom Rest der Truppe jeweils vor der Gesamtskyline, vor dem UNO-Gebäude, vor dem Empire State Building, vor Pier 17, vor dem World Trade Center, vor der Wall Street, unter der Manhattan Bridge, unter der Brooklyn Bridge, vor Ellis Island und natürlich vor der Freiheitsstatue haben will, dann sind das ganz einfach ziemlich viele Bilder und ziemlich wenig manöverwillige Hände!
Macht aber Spass ohne Ende!
Und so gegen 16.00 h konzentrieren sich auch alle noch ein letztes Mal und legen mich in die Liberty Harbor Marina, 331 Meilen und 13 schöne Tage von Boston entfernt.

26.09.2000

Dienstag, 26. September 2000

Dienstag, 26.09.00 – Sightseeing, was sonst?!

27.09.2000

Mittwoch, 27. September 2000

Mittwoch, 27.09.00 – Großreinemachen – großes Verabschieden – und dann kommt schon die neue Crew an Bord: Gerdi bleibt noch 14 Tage, Siggi Spindler und Hanno Thiele aus Bamberg und Michael Merkl aus München kommen dazu.
Abends wird ausnahmsweise mal jemand anderes verhaftet: Gerdi wird beim Schwarzfahren erwischt, aber auch nur, weil Wolfgang (bei diesem Törn wieder ohne „d.J.“!) es nicht schafft, sie am Empire State Building abzuholen. Er verfährt sich in der U-Bahn und braucht 45 Minuten vom Exchange.Plac zum Exchange Place…
ansonsten aber alles in Ordnung!