Von San Sebastian nach San Sebastian – August 1999

08.08.1999

Sonntag, 08. August 1999

Sonntag, 08.08.99 – Ein Tiefdruckgebiet mit 998 hp düst durch die Biskaya – Sturmwarnung.
An ein Ablegen wäre aber sowieso nicht zu denken, weil S.Sebastian noch nicht ausreichend erkundet ist. Steffi hat hier mal ein halbes Jahr lang studiert und bewährt sich als Reiseführerin und Dolmetscherin.
Das führt dann irgendwann zu Lisas Spruch des Tages (in der dritten oder vierten Tapas-Bar…aber nach bisher null zurückgelegten Meilen): Segeln ist mein Lieblingssport!
Zwei Probleme tauchen außerdem auf. Erstens werden als Snack kleine Schnecken verkauft und von allen Flanierern oben auf der Pier verspeist. Bis auf die Gehäuse. Die landen dann, vorzugsweise bei Ebbe, wenn man von oben nicht so gut sieht, daß ich unten liege, mit lautem Klackern auf meinem Deck. Gehört sich so was?!
Zweitens werden wir mitten in der Nacht überfallen. Ein paar besoffene baskische Separatisten sind nämlich der Meinung, daß die spanische Flagge überhaupt nicht gesetzt werden darf und schneiden sie einfach von der Flaggleine ab, obwohl darüber noch die baskische Flagge gesetzt ist!
Das finden Wolfgang und der Bootsmann vom Yachtklub, der gerade eine Taxi-Tour mit der Klub-Barkasse fuhr, dann nicht mehr wirklich lustig. Ich übrigens auch nicht, bei aller Gastfreundschaft an Bord. Und die Polizei findet das auch nicht lustig, und ein paar nicht so nationalistische Passanten auch nicht, und der Franzose, der bei uns längsseits festgemacht hat, auch nicht. So haben wir mitten in der Nacht den schönsten Tumult…
nur der sagenhafte Bordwachhund verschläft die ganze Aktion!

09.08.1999

Montag, 09. August 1999

09.08.1999

Montag, 09.08.99 – Immer noch Sturmwarnung. Aber auch immer noch viel zu sehen:
Das einzigartige, riesige, glasdurchtunnelte Aquarium zum Beispiel, die Musiker in den Gassen, oder die Wellenreiter am Strand, oder das Feuerwerk am Abend. Die Feuerwerker verschiedener Länder machen hier nämlich so was wie ihre Weltmeisterschaft, heute abend ist Deutschland dran, und was dann an riesigen Blumensträußen an den Nachthimmel über der Altstadt gezaubert wird, grenzt an Hexerei!

10.08.1999

Dienstag, 10. August 1999

Dienstag, 10.08.99 – England soll ja auch gute Feuerwerker haben. Aber wir legen trotzdem ab. Der Wind bläst zwar noch mit fünf Bft aus Nordwest, aber für einen kurzen Schlag bis Guetaria passt das schon.
Kurz bevor sich Teile der Mannschaft über die alte Dünung bei Rasmus persönlich beschweren bzw. ihm ihr persönliches Opfer bringen (maritime Unpäßlichkeit, ihr wißt schon…), liegt die Hafeneinfahrt vor dem Bug.
Hier wurde (welch angenehme Überraschung!) eine neue Marina installiert. Steht noch in keinem Handbuch, ist aber sehr gelungen! Ein sauberer Badestrand direkt neben meinem Liegeplatz, dazu eine verwinkelte Altstadt mit einer noch verwinkelteren Kirche (Sogar der Fußboden geht bergauf!), abends frischer Fisch vom Holzkohlegrill…

11.08.1999

Mittwoch, 11. August 1999

11.08.1999

Mittwoch, 11.08.99 – Den Vormittag haben natürlich alle mit dem Sextanten verbracht! Leider ist die Sonnenfinsternis hier nur zu 80% sichtbar, aber zum Ausgleich ist der Sextant mit den verschiedenen Schattengläsern natürlich optimal zum Beobachten, vor allem, weil er sechs mal vergrößert!
Toll, wenn die Sonne wie der Mond aussieht, weil der Mond davor ist! Und für eine kühle Brise, deutliche Dämmerung und eine ganz merkwürdige Stimmung reichen die 80% auch! Rainer: „Die Blüten schließen sich, der Hund legt sich schlafen und die Mädels gehen in die Disco!“
Um den Tag perfekt zu machen, segeln wir von der Hafenausfahrt in Guetaria bis zur Hafeneinfahrt in Lequeito unter Spinnaker. Bei jetzt wieder 100% Sonnenschein!
Lisa legt mich sicher an die Hafenpromenade, und dann werden lange Leinen ausgebracht: Wegen der Sonnenfinsternis verstärkt sich nämlich der Tidenhub auf fast sechs Meter, die Leinen müssen also lang genug ausgebracht werden, um das auszugleichen:
Seit 17.10 h geht’s bergab!

12.08.1999

Donnerstag, 12. August 1999

12.08.1999

Donnerstag, 12.08.99 – In Lequeito gibt es schöne kleine Boutiquen. Deshalb wird erst um 14.15 h abgelegt, dann aber todschick (Lisa und Steffi mit neuen Sommerkleidern, Viktor mit Baskenmütze)!
Und weil die neuen Klamotten natürlich in Muße einem breiten Publikum vorgestellt werden müssen, legen wir um 16.10 h schon wieder an, und zwar sagenhafte sechs Meilen weiter in Elanchove: ein winziges Fischerdorf an einem grün bewaldeten Steilhang mit Alpenvorlandcharakter. Zur Brotzeit hockt sich die ganze Mannschaft vor einer Hafenkneipe auf die Treppenstufen, läßt sich Anchovis, Käse, Thunfisch und Kartoffel-Tortilla vom Tresen reichen, genießt den Blick auf meinen Liegeplatz und reserviert gleich einen Tisch am Fenster: Zu Abend muß später ja auch noch gegessen werden!
(Das mit dem breiten Publikum klappt natürlich in dem kleinen Dorf nicht wirklich, zum Ausgleich ist aber der Auffälligkeitsfaktor optimal hoch!)
Wie das dann ganz zum Schluß mit den Abendkleidern und dem Abstieg über glitschige Leitern ins plötzlich irgendwo da unten (Ebbe!) schwimmende Cockpit funktioniert, sieht man ganz gut auf dem Foto…

13.08.1999

Freitag, 13. August 1999

Freitag, 13.08.99 – Abergläubisch?! Hier an Bord niemand! Es passiert auch nichts schlimmes, wir machen bei schönem Segelwetter einen langen Schlag (35 Meilen) bis nach Getxo, das ist ein Vorort von Bilbao. Ein Nobelvorort… mit kleinem Schlößchen, tollen Ferienvillen, Strandbad und mit nagelneuer Marina. Für größere Aktionen ist es heute schon zu spät, deshalb machen wir morgen einen Hafentag!

14.08.1999

Samstag, 14. August 1999

Samstag, 14.08.99 – Christian und Wolfgang putzen meinen Rumpf vom Beiboot aus, der Rest geht zum Großeinkauf, aber danach geht’s nach Bilbao. Mit Schwierigkeiten. Lipso wird nämlich mal wieder verhaftet, diesmal wegen Schwarzfahrens in der ebenfalls nagelneuen U-Bahn… nächster Treffpunkt (Lipso muß in ein Taxi): Guggenheim-Museum! Wie beschreibt man ein Gebäude, daß aussieht, wie ein Stück Gletscher beim Abbrechen. Oder wie die Kollision zweier hochglanzpolierter Edelstahlspülen. Oder wie der Kampf einer Schiffsschraube mit einer überdimensionalen Aluminiumfolie. Die Oper in Sidney wirkt altbacken dagegen, zumal kein 15 m hoher Hundewelpen aus Blumen (Kunstwerk von Jeff Cohen) davorsteht. Das alles an den alten Docks mitten in der Altstadt. In der übrigens mal wieder Fiesta ist, diesmal mitsamt Paulaner-Bierzelt.

15.08.1999

Sonntag, 15. August 1999

15.08.1999

Sonntag, 15.08.99 – Wir bummeln ein Stückchen weiter und werden in Castro Urdiales als erstes mal von Regattaleitung aus der Ruderbahn herausgelotst. Hier ist nämlich mal wieder Fiesta, diesmal mit Walfangboot-Ruderregatta. Wolfgang legt mich ganz dreist an einen zufälligerweise direkt neben der Start- und Ziellinie vertäutes Fischerboot an und dann betrachten wir das Spektakel aus nächster Nähe und bei Meeresfrüchterisotto von Christian: Vier Bahnen wurden ausgelegt, die Boote (vierzehn Mann Besatzung) müssen zweimal die Runde machen, insgesamt ca. 7 km, davon die Hälfte außerhalb des Hafens in der Atlantikdünung. Die Start-/Ziellinie ist also auch Wendemarke, was toll für uns und das Publikum auf den Kais ist!
Und der Castro-Vierzehner wird in einem Bug-an-Bug-Finish immerhin Zweiter von zwölf Booten, deshalb steht die Stadt abends Kopf. Die Dorfjugend produziert sich bei einem anderen Wettbewerb: Da muß eine kleine Flagge von einer ca. 6 m langen, schräg in den Hafen ragenden, glitschigen Stange abgerissen werden, und je spektakulärer die Stürze ins Hafenbecken sind, um so mehr Applaus…

16.08.1999

Montag, 16. August 1999

Montag, 16.08.99 – Mit 15.45 h wird ein neuer Rekord im Spät-Ablegen aufgestellt, das liegt aber daran, daß ja erst noch die Kirche, die Burg etc. besichtigt werden müssen, das war ja gestern nicht wirklich in Ruhe möglich!
Der Wind frischt auf sechs Bft auf, wunderbar, weil aus Nordwest, das wird ein schöner erster Segelnachmittag auf der Rückreise, schließlich ist schon vor zwei Tagen Halbzeit gewesen, also muß mein Bug langsam wieder in Richtung S.Sebastian gedreht werden.
In Bermeo genießen wir das teuerste, leider aber nicht das beste Abendessen, außerdem stinkt der Hafen bei Ebbe entsetzlich, außerdem können die Fischer nicht mit ihren Booten umgehen. Am

17.08.1999

Dienstag, 17. August 1999

Dienstag, 17.08.99 – Bleibt doch tatsächlich der hinter uns liegende Trawler mit seinem Angelgeschirr an meinem Achterstag hängen! Keine Schäden bei mir, aber trotzdem!
Christian muß wieder nach Schottland und steigt aus, noch ein Grund, sich nicht mit Freuden an Bermeo zu erinnern. Beim unserem Ableger prescht noch ein Frachter ins Hafenbecken, für den schon der Notarzt auf der Mole steht, irgendwo scheint der Wurm drin zu sein, hier in Bermeo!
Ganz anders 23 Meilen weiter östlich: Zumaya erfreut das Auge schon von weitem mit bunten Felsformationen an der Küste, dann eine frisch gebaggerte Hafeneinfahrt in einen Flußlauf hinein, dann ein Liegeplatz in einer der EU-geförderten neuen Marinas im Baskenland, das hier eher aussieht, wie das Schwabenland. Oder Kärnten. Oder der Tegernsee. Jedenfalls irgendwie alpin. Mit Kühen auf der Alm und so. Richtige Almhütten!
Und ’ne Mass Bier zum Hendel!!

18.08.1999

Mittwoch, 18. August 1999

Mittwoch, 18.08.99 – Der Skipper erklärt, warum Hafentag ist: Sturmtief über England, Kaltfrontdurchzug am nachmittag und so weiter, zwei Seiten Din-A-4!
Aber eigentlich gibt es da nicht viel zu erklären, weil nämlich die Franzosen vom Liegeplatz nebenan mit ihrer 40-Fuß Yacht einen Versuch wagen und zehn Minuten später ( und etwas blasser) wieder hier sind… genieße ich den Ausblick auf das Tegernseeufer halt noch einen Tag lang, wann kommt eine 40-Fuß-Yacht schon mal nach Bayern!

19.08.1999

Donnerstag, 19. August 1999

Donnerstag, 19.08.99 – Der Himmel ist zwar noch bedeckt, aber der Wind ist prima zum Segeln, also legen wir ab. Und es läuft prima, bis nach San Sebastian (neun Meilen) in knapp zwei Stunden.
Und dann wenden die beiden Frauen die geniale Verzögerungstaktik an: Viktor und Rainer würden nämlich ganz gerne den letzten Tag in S. Sebastian verbummeln, Lisa und Steffi aber lieber weiter bis Hondarrabia segeln. Dem Skipper ist’s egal.
Also wird ein Argument nach dem anderen, aber immer schön im Zehn-Minuten-Abstand vorgebracht (Schönere Kneipen…. schönes Segelwetter… ganze baskische Küste komplett abgesegelt… kein Hafen doppelt… ).
Bis Lisa plötzlich ausruft: „Ach, da ist S.Sebastian! Da sind wir ja schon vorbei!“ So’ne Überraschung!!!!
Zwischen Hondarrabia und Hendaya „fließt“ die spanisch-französische Grenze, der Yachthafen ist aber auf der französischen Seite des Flusses, deshalb liege ich am Abend zum ersten Mal seit der Auslieferung an meinen ersten Eigner wieder in Frankreich!
Et tous les autres bateaux parlent francais! C’est superb, n’est-ce pas?!
Die Mannschaft fährt zum Abendessen mit dem Taxi-Boot ins malerische Hondarrabia, das war ja auch irgendwie Sinn des Abstechers, aber ich genieße Frankreich toute la nuit!

20.08.1999

Freitag, 20. August 1999

20.08.1999

Freitag, 20.08.99 – Der letzte Törntag überzeugt dann auch Viktor und Rainer von der Notwendigkeit des Frankreichausflugs: Traumwetter; Raumschotsbrise bei blauem Himmel, Halsen üben und beidrehen zum Baden. Obwohl da doch gestern der Hai lang geschwommen ist. Aber wenn er gestern hier war, ist er heute ja wahrscheinlich wo anders…
Die Segel werden erst in der Bucht von S.Sebastian geborgen, nette Showeinlage für die „Grillhähnchen“ am Strand! Und dann haben wir wieder Glück mit dem Liegeplatz und können bei einer holländischen Yacht längsseits am Schwimmsteg festmachen. Der nächste Segler wird dann schon vom Hafenmeister an die Bojen vor dem Hafen verwiesen.
Na ja, und wie so ein letzter Abend dann verläuft, das muß ich ja nicht alle 14 Tage neu schreiben…(Außerdem sieht man den Baskisierungsungseffekt ganz deutlich auf dem Abschiedsfoto!!!)

21.08.1999

Samstag, 21. August 1999

Samstag, 21.08.99 – Die neue Crew ist teilweise schon gestern angereist, hat in Lisas und Viktors Wohnmobil übernachtet und wird vom Skipper bis zum Nachmittag in das Aquarium geschickt, schließlich muß mich die alte Crew noch auf Hochglanz bringen.
Pünktlich um 18.00 sind dann aber alle Neuen willkommen an Bord: Dagmar Walddobler, Ines Hofmann, Melanie Zabel, Dirk Motejat und Egon Schweiger auf dem Weg mit mir, Lipso und Wolfgang nach A Coruna.