Von Havanna nach Havanna – April 2000

09.04.2000

Sonntag, 09. April 2000

Sonntag, 09.04.00 – Wir können noch nicht ablegen, weil der Hafen nicht nur ab sechs Uhr abends, sondern auch am Wochenende geschlossen ist. Das macht aber nichts, immerhin hat die Kunstgalerie geöffnet, und der erste Großeinkauf kann auch schon stattfinden, weil der Devisenladen (wie die Intershops in der DDR) auch sonntags geöffnet hat.
Getränke, Nudeln, Kekse, Konserven, und was es sonst noch so alles nur für harte Dollar gibt…
Der Transport zu meinem Liegeplatz wird lustig und stilecht mit der Kutsche organisiert. Für den Abend hat der Skipper ein Menü in einem Parador bestellt.
Paradors sind private Restaurants, in diesem Fall handelt es sich um den Küchentisch einer kubanischen Familie, die über Zugang zu ansonsten verbotenen (weil für den Export oder die All-inclusive-Touristenburgen bestimmten) Delikatessen hat: Langusten (eineinhalb Stück pro Person…), Zackenbarsch (eineinhalb dicke Scheiben pro Person) und ein Tier, von dem Wolfgang gedacht hatte, das es in einer Farm gezüchtet wird, das aber tatsächlich in einem Naturpark unter Schutz steht, und dessen Verzehr mit zehn Jahren Gefängnis bestraft wird.
Leider klärt sich dieses Missverständnis erst am Abend auf, jetzt haben alle meine Crewmitglieder zwar mit schlechtem Gewissen, aber trotzdem mit ziemlicher Geschmacksnervenbegeisterung eineinhalb Scheiben von diesem Tier gegessen, und zwar alle (einschließlich Skipper, der ja schon allen möglichen Quatsch gegessen hat) zum ersten Mal!
Hoffentlich rächt sich keines dieser Tiere, da fehlen nämlich gleich immer ganze Gliedmaßen!!!
Um die Unmengen Kalorien wieder abzubauen, versumpft die ganze Mannschaft noch in der Dorfdisco, wo ein kubanisches Kabarett für Kubaner stattfindet, das unterscheidet sich doch recht gewaltig von den Revues, die so für die Touristen veranstaltet werden, macht aber gerade deshalb Spaß, zumal Heide die Galateia-Ehre rettet, weil sie Salsa mit Alain (auch ein neuer Freund) tanzen kann (die anderen trauen sich nicht…)!

10.04.2000

Montag, 10. April 2000

Montag, 10.04.00 – Diesel bunkern, Gemüse liefern lassen, Wasser bunkern, Behördenkram erledigen…
Der abschließende Besuch von Zoll und Einwanderungspolizei gestaltet sich überraschend problemlos, am Nachmittag segeln wir bei leichter Brise aus NE bis zum Cayo Grande und genießen zum ersten Mal die Einsamkeit der kubanischen Inselwelt.

11.04.2000

Dienstag, 11. April 2000

Dienstag, 11.04.00 – Zwanzig Meilen weiter westlich liegt die Ensenada de los Barcos, eine große, einsame, mangrovenumsäumte und sehr gut geschützte, wenn auch flache Bucht am Nordwesteck der Isla de la Juventud. Da segeln wir eben hin, fangen unterwegs eine großen Rotzackenbarsch und genießen zum zweiten Mal die Einsamkeit der kubanischen Inselwelt.

12.04.2000

Mittwoch, 12. April 2000

Mittwoch, 12.04.00 – Dreißig Meilen weiter westlich liegen die Cayos de San Felipe, ein paar einsame Inseln auf dem Weg zum westlichen Teil der Hauptinsel. Unterwegs fangen wir einen Barracuda, mogeln uns nur mit ganz viel Schräglage (Bernd auf dem ausgefierten Großbaum…) über eine Barre, die flacher ist, als in der Karte angegeben (wer die Furche findet, die mein Kiel da heute reingepflügt hat, kann uns mit bis zu 1,90 m Tiefgang folgen!), suchen einen Ankerplatz und genießen zum dritten Mal die Einsamkeit der kubanischen Inselwelt.

13.04.2000

Donnerstag, 13. April 2000

Donnerstag, 13.04.00 – Und wir würden die Einsamkeit der kubanischen Inselwelt ja gerne auch noch einen weiteren Tag genießen, aber leider hat sich über den Exilkubanern in Miami (als Strafe für das Theater um Elian?!) ein Tiefdruckgebiet gebildet, das uns Südwind beschert, und so müssen wir ein paar Traumstrände auslassen und gleich nach Cortes segeln.
Das ist ein kleiner Fischerort auf dem „Festland“, der jetzt ebenfalls von Schiffen mit 1,90 m Tiefgang angelaufen werden kann, zumindest solange die Furche hält, die es seit heute in der Laguneneinfahrt gibt….
Leider darf die Mannschaft noch nicht an Land, weil beim merkwürdig unkomplizierten Ausklarieren in Nueva Gerona der Bernd nicht auf die Crewliste eingetragen wurde, Christian dafür aber immer noch drauf steht…
Bis zur Klärung der Angelegenheit wird der heutige Barracuda verspeist (heute besonders fein mit Grapefruitfüllung! Und Bernds erster von ihm selbst ausgenommener Fisch, man lernt hier an Bord eben täglich dazu!).
Bin mal gespannt, ob der Crew der frische Fisch irgendwann zum Hals raushängt, aber bis jetzt sind alle vom täglichen „Catch of the Day“ begeistert! Für Nachahmer: An der Heckangel hängt ein grauglitzernder Plastiktintenfisch an ca. 30 m langer 20-kg-Leine, heute hat es vom Rauslassen der Leine bis zum Biss keine 15 Minuten gedauert!

14.04.2000

Freitag, 14. April 2000

Freitag, 14.04.00 – Gewittrig ist es, und deshalb bleibt die ganze Mannschaft einfach bis um 11.00 h im Bett.
Während des großen Frühstücks wird Bernds Pass vom Hafenmeister zurückgebracht, danach dürfen alle zur Stadtbesichtigung: Es gibt hier immerhin ein paar Straßen, eine Sanitätsstation, eine Tabaksortierhalle, einen Bäckerladen, der nur das Brot von gestern verkauft, weil das frische für morgen ist, einen Devisenkiosk mit vakuumverpackten Wurstwaren (!!!), eine Stehkneipe, eine Cafeteria und ein Restaurant!
Und die wirkliche Attraktion – sind die Touristen: Uschi, Rahel, Heide, Bernd und die beiden Wolfgangs!

15.04.2000

Samstag, 15. April 2000

Samstag, 15.04.00 – Kurzer Nachtrag zu gestern abend: Auf der Suche nach einem Abendessen hat die Mannschaft Raciel kennengelernt. Der vermittelt meine Crew an das örtliche staatsbetriebene Restaurant, da kostet der echt kubanische Bohnenreis mit Schweinsfuß und Kartoffeln genau eine Mark pro Nase. Allerdings muss man das Gemüse und das Bier selber mitbringen, weshalb ein Kumpel von Raciel selbiges besorgt.
Nach dem Essen wird die Übergangszeit bis zur Öffnung der Dorfdisco vor Raciels neuem Videorecorder verbracht, nach eingehender Bewunderung des High-Tech-Gerätes unterm palmwedelgedeckten Dach wird es aber trotzdem kein Film- , sondern ein Erzähl- und Diskutierabend mit der kompletten Nachbar- und Verwandtschaft. Prima – auch der Ausklang in der Disco mit Livemusik etc!
Trotzdem schaffen es alle, am Samstag früh aufzustehen, weil Raciel nämlich einen Landausflug zur Süßwasserlagune im Hinterland organisiert hat. Dazu werden die Stühle aus seinem Häuschen auf die Ladefläche von einem großen LKW gestellt und ab geht die Post. Und Uschi darf ehrenhalber im Führerhaus mitfahren!
Am Nachmittag wäre ja eigentlich noch Fiesta in Cortes, aber der Skipper drängt: Wir müssen los, es sind ja noch eine Menge Meilen bis Havanna!
In der Lagunenausfahrt gibt es jetzt eine zweite Rinne, weil wir, die am Donnerstag bei der Einfahrt frisch gepflügte, leider nicht wiedergefunden haben…
Im freien Wasser reißt dann plötzlich eine Angelleine – muss wohl was Größeres gewesen sein! Wenig später hängen die Reste (!!!) eines Barsches an der anderen Angel, da war wohl was Größeres schneller als wir!
Und wieder wenig später beißt „das Größere“: Ein Hai, ein ziemlich gar nicht Mal so kleiner Hai!
Riesenaufregung an Bord!
Wolfgang gibt etwas Leine – und holt wieder an, wenn der Hai Pause macht. Und langsam aber sicher haben wir den Hai an der Badeplattform – und halb auf der Badeplattform – und dann gibt die Stahlöse am Köder nach.
Weg ist er.
Der Hai. Mit seinem furchterregenden riesigen Maul. (Aber es hätte ohnehin niemand das Rezept für Haifischflossensuppe gewusst…)
Zwei Regenschauer leiten die Nachtfahrt ein, die danach aber schön und sternenklar wird.

16.04.2000

Sonntag, 16. April 2000

Sonntag, 16.04.00 – Leichte Brise, herrliches Segeln, so verlasse ich am Cabo San Antonio die Karibik, so begrüßt uns der Golf von Mexiko.
Ein großer Barracuda landet im Ofen, damit ist die Verpflegung gesichert, deshalb nutzen wir das schöne Wetter und hängen noch eine Nacht dran.
Leider ganz ohne Wind, aber auch ganz ohne Seegang – Gustav steuert, auf dem Laptop zeigen GPS und elekronische Seekarte den Weg, die Wache muss nur ein wenig Ausschau halten, und das ist ja nun zu schaffen, bei fast Vollmond und wolkenlosem Himmel.

17.04.2000

Montag, 17. April 2000

17.04.2000

Montag, 17.04.00 – In der westlichen Zufahrt zur Ensenada (Bucht/Golf) de Playuelas gibt es jetzt auch eine Rinne für Kielyachten, so langsam verdiene ich mir einen Orden (für freiwillige Baggerarbeiten und Grundbereinigung!) des kubanischen Fremdenverkehrsamtes bzw. des Hydrografischen Institutes!
Der wirkliche Lohn: der traumhafteste Ankerplatz der Welt. Ein Teich mitten in den Magroven. Die Mannschaft tauft ihn „unser Swimming-pool“ – das sagt mehr als lange Beschreibungen!

18.04.2000

Dienstag, 18. April 2000

Dienstag, 18.04.00 – Auch in der östlichen Zufahrt (in unserem Falle die Ausfahrt) zur Ensenada de Playuelas gibt es jetzt eine Rinne für Kielyachten. Obwohl – die gab es zugegebenerweise schon vorher, nur haben wir sie nicht sofort gefunden.
Nach zwei Aufsitzern neben der Rinne müssen Rahel und Wolfgang mit dem Beiboot und dem langen Bootshaken zur Erkundungsfahrt aufbrechen, aber sie finden das Fahrwasser dann auch und wir rutschen ausnahmsweise ohne weitere Grundberührung durch das Nadelöhr zwischen den Mangroven.
Flach ist es hier fast überall: Von über 2000 Metern Tiefe kommt „die Mauer“ senkrecht aus der Tiefe nach oben und bildet das Außenriff.
Alle Ankerplätze liegen aber logischerweise innerhalb – und da ist es flach und riffübersät. Auch um Hemingways Lieblingsinsel (Cayo Paraiso) herum müssen wir den Blister (die erste „Warsteiner- die Königin unter den Bieren“-Reklame auf Kuba??!) nach einem tollen Segeltag bei leichtem Westwind (das nennt man Glück, der ist nämlich ganz selten hier!) vor den Riffen bergen und die Zufahrt vorsichtig suchen.
Der Lohn: die traumhafteste Insel der Welt, Hemingway war ja nicht blöd!

19.04.2000

Mittwoch, 19. April 2000

Mittwoch, 19.04.00 – Cayo Paraiso ist zwar nur winzig (zudem die letzten Hurricanes es ziemlich haben schrumpfen lassen!), aber es ist den Landausflug wert: strahlend weißer Korallensand, ein paar Palmen, ein paar immergrüne Laubbäume und das Gefühl, Besitzer des Inselchen zu sein…
Ausnahmsweise braucht mein Kiel am Nachmittag keine neue Rinne in irgendwelche Flachs pflügen, um in tiefes Wasser zu gelangen.
Gemütliche 19 Meilen weiter lässt Bernd den Anker vor dem Zollposten in der Bahia Honda fallen, das Einchecken dauert ein bisschen, klappt aber prima – bis der diensthabende Oberchef dem Skipper erklärt, dass wir nicht vor dem Örtchen am Ende der Bucht ankern dürfen. Und mit dem Beiboot ist es von hier aus zu weit.
Wäre ja alles nicht weiter tragisch, wenn die Langusten, die ein paar Fischer am Morgen zum Verkauf angeboten hatten, sich jetzt an Bord befinden würden. Tun sie aber nicht, weil alle mit einem Abendessen in irgendeinem Restaurant gerechnet haben…
Gibt es eben Kartoffelpürée…

20.04.2000

Donnerstag, 20. April 2000

Donnerstag, 20.04.00 – Der für 07.30 h bestellte Zöllner erscheint pünktlich, Wolfgang will früh raus, weil es gut 40 Meilen gegen den Wind sind, bis die Marina Hemigway vor meinem Bug liegt. Da wird aber nichts draus, weil es auf dem Weg dorthin „ein Problem“ gibt. Und deshalb haben wir Auslaufverbot. Ärgerlich.
Bis zum Mittag hat der Wind von Südost (wäre prima gewesen!!) auf Nordost (genau von vorne…) gedreht, also dauert es bis weit nach Mitternacht bis die Lichter von Havanna auftauchen.

21.04.2000

Freitag, 21. April 2000

Freitag, 21.04.00 – Und dann sind es auch noch zu viele Lichter. Skipper und Crew verwechseln zwei Leuchtfeuer mit gleicher Kennung, der Hafenmeister meldet sich über Funk, ist aber wegen ein paar besoffenen Russen auf der gleichen Frequenz nicht verstehbar, die vorbildlich geplante Nachteinfahrt droht ins Chaos abzugleiten – und tut es dann doch nicht.
Zoll, Polizei, Hafenmeister, Einwanderungsbehörden etc. kommen auch noch mitten in der Nacht an Bord, es wird fast 03.00 h bis alle in die Kojen fallen dürfen.
Das Brunch am und das Bad im Swimmingpool restaurieren meine Mannschaft dann auf ein ausgehfeines Niveau, schließlich soll der letzte gemeinsame Abend in der Altstadt gefeiert werden…

22.04.2000

Samstag, 22. April 2000

Samstag, 22.04.00 – Da müssen sie mich halt leicht verkatert schrubben! Ich habe ja mal wieder keinen Mojito abgekriegt. Selbst Schuld!
Am Flughafen spielt die letzte Band das letzte Ständchen, dann fliegen Uschi, Rahel und Wolfgang (Gutt, nicht der Skipper) schwerbepackt mit Souvenirs (handgerollt mit feinem Deckblatt und Zedernholzeinlage im Kistchen…) und Eindrücken nach Hause.
Bernd und Heide bleiben noch 14 Tage, allerdings bleibt nur Heide an Bord.