Von Havanna nach Miami

09.05.2007

Mittwoch, 09. Mai 2007

Mittwoch, 09.05.07 – Und schon steht sie auf der Pier, die neue Crew: Herzlich Willkommen für Volker Thun und Thorsten Nölle (kommen schon am Nachmittag und dürfen bunkern) und Walter Flebbe (kommt erst am Abend, also nach der Arbeit, und darf dafür eine Runde Bier ausgeben).

10.05.2007

Donnerstag, 10. Mai 2007

Donnerstag, 10.05.07 – Weil Key West nur 90 Meilen weiter nördlich liegt, können wir erst am Abend ablegen, um nicht im Dunkeln anzukommen. Walter freut sich, da kann er auch noch einen Havanna-Bummel machen. Nach den üblichen Behördenhürdenhorden (acht Leute und ein Hund…) stecke ich am Nachmittag den Bug in den Golfstrom. Leichte Brise, bis zu zwei Knoten Schiebestrom, später Sterne ohne Ende, mittendrin ein paar Stunden Flaute, aber dann wieder schönes Segeln bis vor die Marinaeinfahrt in Key West.

11.05.2007

Freitag, 11. Mai 2007

Freitag, 11.05.07 – Unter Abspielen der Nationalhymne wird das Sternenbanner samt Quarantäneflagge gehisst, Amerika, wir kommen!
Die SY Born mit Jochen und Crew ist ein paar Stunden vor mir eingelaufen und hat mangels Visa schon ziemlich Ärger mit den amerikanischen Behörden hinter sich. Wolfgang plant Plan B: Behördenbesänftigungsprogramm. Visa für alle und US-Segelerlaubnis für mich wurden schon im Vorfeld organisiert, jetzt geht es nur noch um Zigarren und Rum, weil alle „goods” abgegeben werden müssen. Aber Zigarren und Rum sind ja keine „goods”, sondern „bads”, weil ungesund. Also kommen in den abzugebenden Lebensmittelsack zwei Kilo alte Zwiebeln, eine einsame Zigarre und das restliche Brot. Damit zum Zollhaus. Und es klappt! Die Zöllner sind trotz des Geruchs aus dem Müllbeutel begeistert ob der Kooperationswilligkeit meiner Besatzung! Großes Lob von höchster Stelle und nur ein kleiner Anschiss am Rande, weil das Reisen zwischen Kuba und den USA nach neuester Lesart komplett verboten ist, das war 2000 übrigens noch anders. Von der Zigarre kommt nur die Banderole ab, dann steckt sie der Zöllner meinem Skipper in die Hemdtasche: „Don’t tell anybody where it comes from!” Kontrolle an Bord findet nicht statt, der restliche Papierkram ist schnell erledigt, Party!
Das mit der Party ist deshalb besonders gut gelungen, weil die Colleges Frühlingsferien haben und Key West Kopf steht. Ich war ja wieder nicht mit, aber gerüchteweise sollen Walter, Thorsten und Jochen fast in eine Stöckelschuhschlägerei verwickelt worden sein, wohingegen Wolfgang von einem Königspudel umgerannt wurde und dann mit Nasenbluten an einem etwas obskuren Swimmingpool saß. Nachts um drei.
Alles Gute an Mama Weber zum 70sten Geburtstag! Freue mich auf Dich nächste Woche!

12.05.2007

Samstag, 12. Mai 2007

Samstag, 12.05.07 – Trotzdem um 09.40 h auf dem Wasser! Aber da übernimmt auch schon bald der Autopilot, zumal bis mittags Flaute ist. Dann kommt ein wenig Thermik auf, Blister hoch und leise Fahrt zwischen Außenriff und Inselkette. Auf der Innenseite der Seven-Miles-Bridge kann man ganz gut ankern, das ist plötzlich im Golf von Mexiko! Die Grenze zum Atlantik liegt wohl auf dem Mittelstreifen. Volker darf der feixenden Mannschaft dann erklären, wieso er beim Anblick der großen Schildkröte kurz vor der Brückendurchfahrt im ersten Moment gedacht hat, es handele sich um eine Grabplatte, weil Grabplatten ja nicht wirklich sooo gut schwimmen. Aber andererseits bauen die hier unten ja alles Mögliche aus Styropor. Mit Domino- und Gitarrespielen bleibt der Abend lustig.

13.05.2007

Sonntag, 13. Mai 2007

Sonntag, 13.05.07 – Beim morgendlichen philosophischen Brunch (schon wieder unterwegs) werden Parallelen zwischen Kants Kategorischem Imperativ, den Kollisionsverhütungsregeln und dem Lied der Schlümpfe (Thorsten weigert sich auch heute, das Flötenschlumpfsolo zu singen!) gezogen: Dreht sich alles um die Fragen: „Wo bin ich, wer bin ich – und was um Gottes Willen tue ich hier?!”
Der Blister zieht mich unbeirrt – und ich muss ja nicht bei allem mitreden. Hinter Key Rodriguez findet sich ein schöner Ankerplatz, einsamer als gestern unter der Autobahnbrücke, die Lichter der Ferienanlagen eine Meile weit im Westen.

14.05.2007

Montag, 14. Mai 2007

Montag, 14.05.07 – Delfine begegnen uns auf ihrem Weg nach Süden, dazu passt der Rest vom heutigen Zootag: Mittags ankern wir nämlich neben einem Korallenriff, die Mannschaft schnorchelt rüber und bewundert tausende von Fischen und kehrt erst um, als ein großer Barrakuda das Weiterschwimmen irgendwie stört. Aber am Nachmittag sollen ja auch noch ein paar Meilen gesegelt werden, bis zwischen die Mangroven am Adams Key. Ein großer Adlerrochen macht seinem Namen alle Ehre und springt meterhoch aus dem Wasser. Neben einer kleinen Nationalparkrangerstation liege ich perfekt geschützt in einem „Ententeich”, kleine Reiher picken am Ufer nach Krebsen, Stille, die erst durch ein kräftiges Gewitter in der Nacht gestört wird.

15.05.2007

Dienstag, 15. Mai 2007

15.05.2007Dienstag, 15.05.07 – Die Angler zwischen den Mangroveninselchen behaupten, dass die Durchfahrt auf die Innenseite der Inselkette drei Meter tief ist, also versuchen wir es. Wie so oft in den flachen Gewässern der Gegend darf ich nun mitteilen, dass die Passage ab heute zumindest 1,8 Meter tief ist, aber nur genau da, wo ich mit meinem Kiel die neue Fahrrinne geschoben habe. Danach schwimme ich aber wirklich in tiefem (drei Meter!) Wasser, trotz eines kräftigen, tropischen Schauers herrliches Segeln bei steifer Brise unter der nächsten Autobahnbrücke hindurch bis in den Hafen vom Miami. Segelwechsel auf die kleine Fock, reichlich Arbeit an den Schoten, Rauschefahrt. Ein ziemlich gewaltiger Barrakuda (1,2 m, ca. 15 kg) beweist noch eben, dass Wolfgangs Kinderangelprinzip doch funktioniert, wird aber wegen Ciguateragefahr wieder außenbords geworfen. Einmal darf ich dann noch eben den Grund berühren, weil die sich kreuzenden Fahrwasser im Miami unglaublich unübersichtlich betonnt sind, das ist nach sauerländer Lesart, wo alles, was man ein zweites Mal tut, eine Tradition ist, nun der traditionelle Miami-Willkommensrumpler. War 2000 ja nicht anders. Natürlich nicht an der gleichen Stelle!
Vor der Innenstadtmarina (Bayside Miamarina) werden meine Segel ein letztes Mal für diesen Törn geborgen, direkt vor dem Hard-Rock-Cafe legt mich Walter an den Steg, 232 vor allem lustige Meilen nördlich von Havanna. Noch ein Grund zu feiern, Jochen und Heinz von der „Born” (hat mich mit einer Nachtfahrt überholt und ist schon wieder ein paar Stunden vor uns angekommen!) gesellen sich dazu, Miamis Nachtleben ruft…

16.05.2007

Mittwoch, 16. Mai 2007

Mittwoch, 16.05.07 – Die einen gehen, die anderen kommen: Die Kuba-Schmuggel-Crew nutzt das Taxi, mit dem Dieter und Uschi ankommen, direkt zur Weiterfahrt ins Hotel in Miami Beach, ein paar Tage Party dranhängen… und während Wolfgangs Eltern nach herzlichster Begrüßung und einem kleinen Spaziergang am Hafen entlang müde in die Koje fallen, verabschiedet sich mein Skipper standesgemäß in der wunderschönen Lounge vom Hotel Delano von Walter, Volker und Thorsten. War toll mit euch, hoffentlich kommt ihr bald wieder!

17.05.2007

Donnerstag, 17. Mai 2007

Donnerstag, 17.05.07 – Ab 06.30 h geht verkehrstechnisch ein Schluckauf durch die Innenstadt von Miami: Nur für mich werden nacheinander die Brücken der Uferstraße, der South Miami Avenue, der Southwest-Second Avenue, der Flagler Street, der 13th und der 17th Avenue hochgeklappt, jedes Mal Stau bis nirgendwo… Die festen Brücken sind alle 64 Fuß hoch, nur drei Fuß mehr, als ich brauche, das sieht von unten immer gefährlich knapp aus! Hochbahn, Eisenbahn, Southwest First Street, Highway Nr.1 und Flughafenhighway rauschen im beginnenden Berufsverkehr über meinem Masttop. Nach drei Meilen den Miami River hinauf ist das Ziel erreicht, und wenig später hänge ich in der Hurricane Cove Marina im Travellift. Und wieder wenig später beginnen mein Erster Ingenieur und mein Skipper mit größeren Umbauarbeiten an meinem Innenleben.

18.05.2007

Freitag, 18. Mai 2007

Freitag, 18.05.07 – Mein Motor steht plötzlich mitten im Salon.

19.05.2007

Samstag, 19. Mai 2007

Samstag, 19.05.07 – Wellendichtung und Getriebe liegen daneben. Zum Übernachten bin ich in diesem Zustand nicht so richtig geeignet, die drei Webers sind sinnvollerweise in ein kleines Hotel in der Nähe gezogen. Wolfgang hat wie immer schnell neue Freunde gefunden und findet sich am Abend zusammen mit Abraham auf der Bühne eines Kubanischen Kabaretts wieder, weil er als Trinkgeld einen kubanischen Peso gegeben hat. Den haben die Exilkubaner natürlich noch nie gesehen, große Aufregung, großes Gelächter!

20.05.2007

Sonntag, 20. Mai 2007

Sonntag, 20.05.07 – Ein bisschen ruhiger geht es heute schon zu, die Zeit reicht wenigstens für eine tolle Fischsuppe in einem Honduranischen Restaurant und zum Friseurbesuch bei einem weiteren Kubaner. Aber ein wenig geschraubt wird auch heute.

21.05.2007

Montag, 21. Mai 2007

Montag, 21.05.07 – Die letzten Ersatzteile werden fachmännisch von noch einem weiteren Kubaner in einer kleinen Werkstatt mikrometergenau angepasst, und dann werde ich so langsam wieder zusammengeschraubt.

22.05.2007

Dienstag, 22. Mai 2007

Dienstag, 22.05.07 – Am frühen Nachmittag steht mein Motor samt neuer, schwererer Schwungscheibe und neuem, hydraulischen Getriebe wieder da, wo er hingehört. Und um 16.30 h schwimme ich wieder. Große Spannung, ob alles funktioniert und dicht ist: Alles funktioniert und ist dicht! Mein Golf schnurrt so leise wie nie zuvor, das Einlegen von Vorwärts- oder Rückwärtsgang geht fast unmerklich von statten, Wolfgang gratuliert seinem Papa, der Aufwand hat sich doch gelohnt!
Miami kriegt ab 18.00 h (also nach dem Berufsverkehr) wieder Schluckauf, und um 19.00 h liege ich wieder vor dem Hardrock Café in der Marina in der Innenstadt.