Von St. Lucia nach Martinique

27.12.2006

Mittwoch, 27. Dezember 2006

Mittwoch, 27.12.06 – Dirk und die „Carpe Diem” (vielen Dank für den Fährersatzdienst!) kommen aus Martinique zurück und haben meine neue Crew an Bord: Herzlich Willkommen für Anita, Monika und Norbert Geißler, alle zuletzt in Istanbul an Bord und seit vielen Jahren hier in ihrem zweiten zu Hause.
Die Taschen werden ausgeräumt, und deshalb gibt es plötzlich eine Weihnachtsnachbescherung. Ich hatte mir nämlich ein neues Fernglas gewünscht, so ein selbststabilisierendes, wie es Stefan Stolle auf Mallorca mithatte. Mit einem normalen Fernglas sieht mein Skipper, den die Konkurrenz neidvoll Käpt’n Adlerauge nennt, nämlich auch nicht mehr als ohne. Und jetzt entsteigt also ein wasserdichtes Fujinon Techno-Stabi seiner Verpackung, das ist quasi der Rolls Royce unter den stabilisierenden Ferngläsern. Wird nach dem Ausprobieren gleich „Lupo” getauft, anders kann man den Vergrößerungseffekt ja gar nicht beschreiben. Ich sage also schon mal vielen, vielen Dank!
Und Wolfgang? Der liest inzwischen den „Beipackzettel” den ich hier einfach ungekürzt wiedergeben muss:
„Lieber Wolfgang,
Willkommen in der Karibik. Auf Anregung Einzelner hat der Rest erfahren, dass Du Dir ein bildstabilisierendes Fernglas wünschst, wir wussten ja gar nicht, dass Du so zitterst…:)
Hin und wieder gehen Wünsche in Erfüllung. Von uns allen ein frohes Fest, Guten Rutsch und viel Spaß damit.
Vielleicht lässt Du uns ja auch mal durchschauen…
In Anbetracht dessen, das nicht alle persönlich hier sind, um zu unterschreiben, der Computer hilft gern. In alphabetical order:
Bernhard Schneck, Christoph Glaser, Claudia Weber, Daniel Doswald, Daniela Hechtel, Dirk Flothow, Muni und Maja Hammann, Familie Heckl, Familie Töpfer, Familie Geißler, Familie Schneppel, Familie Siepmann, Familie Stolle, Gerdi Bauerfeind, Grit Blaschke, Harald Koch, Hella Breitkopf, Klaus Noack, Marianne List, Monika Bloessl, Paul Daetwyler, Roland Rollinger, Sylvia Buhr, Thomas Federlein, Ursula Farrely, Wolfgang Weber d. Ä., Mama und Papa.”
Naja, und dann sitzt mein Skipper da am Kartentisch und heult. Soooo viele Leute!! Das Fernglas ist toll, aber die Liste hat ihn einfach umgehauen. Und ihm fällt nix ein, wie er das wieder gut machen soll. Und er ist ein bisschen stolz, weil es euch ja doch bei mir an Bord ein wenig gefallen haben muss. Er kann das mit den herzlichen Dankesworten ja immer nicht so gut, aber ich weiß, dass ihr ihm eine gewaltige Freude bereitet habt! Am besten ist wahrscheinlich einfach: Danke. Und das kommt von ganz tief drinnen. Irgendwann haben Monika und Anita aus dem Häufchen Elend durch festes Drücken und Tränchen abwischen wieder meinen Skipper gemacht, der sich mit irgendwelchen Ausreden vor der Teilnahme am fälligen Großeinkauf drückt, eigentlich muss er nämlich nur dringend luposieren…
Am Abend kocht die „Mama” im Marine House wieder ein leckeres kreolisches Dinner, nebenan übt eine große Steelband in ihrer Blechbaracke, Karibik ist ja auch noch!

28.12.2006

Donnerstag, 28. Dezember 2006

Donnerstag, 28.12.06 – Gleich vor der Marina, also kurz nach dem Segelsetzen, begrüßt uns eine Schildkröte. Willkommen im Zoo! Ein naseweiser Minithunfisch vergreift sich kurz danach an der Heckangel und wird zum Weiterwachsen wieder ins Meer entlassen. Bis zur Südspitze von St. Lucia muss mich dann der Motor durch das Lee der Insel schieben, aber dann greift der Passat wieder voll in meine Segel. Bis nach St. Vincent, der nächsten der sog. Kleinen Antillen sind es von hier aus noch gute dreißig Meilen, das heißt, das wir im Dunkeln ankommen werden. Macht nichts, zur Sicherheit zieht die Crew Rettungswesten samt Lifebelts an, Rauschefahrt bei Sonnenunter- und Mondaufgang. Ein paar Delfine schwimmen neugierig längsseits mit, dann ziehen sie ihrer Wege. Zum Einlaufen in die Wallilabu Bucht kommt Lupo dann zum ersten Mal ernsthaft in Betrieb, der Sendemast auf der Südseite der Bucht ist nämlich nicht mehr durch rote Lampen gekennzeichnet. Wolfgang erspäht die Details der Bucht glasklar: „Hier geht es rein, Ruder backbord, klar zum Ankern!” Von den allgegenwärtigen freundlichen Dienstleistern (das sind die T-Shirtverkäufer, Fischer, Gemüsehändler, Achterleinenfestmacher, Taxitouranbieter etc. auf ihren schwimmenden Untersätzen) schiebt noch einer Nachtschicht und befestigt meine Landleine am Ufer, da kann mein Beiboot auf dem Vordeck liegen bleiben, praktisch, auch wenn’s ein paar Dollar kostet. Wohlverdiente Nachtruhe. Fast. Bzw., nachdem die Dorfdisco samt übendem Diskjockey mangels Besuchern die Schotten dicht und den Lautbrüller ausmacht.

29.12.2006

Freitag, 29. Dezember 2006

Freitag, 29.12.06 – Am Morgen sieht man erstmal, dass ich mitten in den Kulissen von „Fluch der Karibik 2” liege, die Verladegalgen und der Steg sind noch komplett erhalten. Das schauen wir uns vielleicht auf der Rücktour noch mal genauer an, heute geht es gleich nach dem Frühstück (und einem riesigen Thunfischschwarm mitten in der Bucht!) weiter bis nach Bequia. Die Insel mit dem quirligen Städtchen Port Elizabeth ist so was wie das Langstreckenfahrermekka in der Gegend, und natürlich liegt die halbe ARC hier vor Anker. Wolfgang freut sich, als die ersten Norweger winkend im Dingi vorbei fahren. Das Einklarieren wird auf morgen verschoben, heute wird nur der traditionelle Sundowner im „Frangipani” genommen, Dirk ist auch schon da, prima. Zum Abendessen sucht und findet meine Mannschaft ein nettes Einheimischenlokal, nachdem Wolfgang traurigerweise erfahren musste, dass seine Lieblingsköchin Daphne vor drei Jahren verstorben ist. So wird er ihr Rezept für Kallalu-Suppe wohl nie mehr erfahren, sie hatte ihm 1994 nämlich nur gesagt: „Wolfgang, you take them leaves and you boil them!” Christian macht das aber wett und schwätzt der Köchin des „Porthole” ihr Rezept ab, und das ist viiiel komplizierter als „Bätter nehmen und kochen.” Hatte sich mein Skipper schon gedacht.

30.12.2006

Samstag, 30. Dezember 2006

Samstag, 30.12.06 – Anita geht fremd und segelt bis in die Tobago Cays bei Dirk an Bord mit. Dirk ist zur Zeit ohne Frau und Kinder unterwegs und leidet unter Langeweile, und Anita hat ja noch genug Zeit hier an Bord. Dadurch verpasst sie allerdings den schönen Barracuda, der an meiner Steuerbordangel Selbstmord begeht. Obwohl, sicher vor Anker in den Cays liegend sind ja alle incl. Dirk wieder hier an Bord und verspeisen den Catch of the Day.

31.12.2006

Sonntag, 31. Dezember 2006

31.12.2006Sonntag, 31.12.06 – Heute im Zoo: Schildkröten, Korallen, ein getarnter Oktopus und viele Fische auf der Flucht vor dem Hai dahinten. Das alles natürlich unter Wasser beim Schnorcheln im neuerdings zum Naturpark erklärten Riff der Cays. Kostet seitdem drei Euro Eintritt, hat sich aber schon bewährt: Kein Müll mehr am Ufer, viel mehr Fische und vor allem Schildkröten als früher, prima. Über Wasser kommt Sydney zu Besuch, den geschäftstüchtigen Rasta kennen Wolfgang und die JoJos schon aus den ersten Karibik-Jahren, und Wolfgang würde liebend gerne wissen, ob Sydneys Haare unter der Rasta-Mütze auch schon so langsam grau werden. Sydney grinst nur.
Das Sylvestermenü gibt es am Strand: Jean-Claude, ein anderer Rasta, und seine Freunde haben für meine und ein paar andere Mannschaften riesige Lobster, leckeres Gemüse, frischen Fisch und Obst zum Nachtisch vorbereitet. Das alles auf einfachen Holzbänken unter Palmen im Passat, Mondscheinbeleuchtung, Sternenhimmel. Schöner kann ein Jahr nicht enden. Aber noch lustiger, weshalb nach dem Essen bis um Mitternacht zurück hier an Bord der traditionelle Galateia-Spieleabend veranstaltet wird. Erst Prominentenraten, dann Schokoladenessen mit Segelhandschuhen, Schal, Hut und Taucherbrille (die Fotos werden leider unter Verschluss gehalten…), und dann das Ratespiel: Wird diese Signalrakete uns jetzt treffen oder nicht?

01.01.2007

Montag, 01. Januar 2007

Montag, 01.01.07 – Es ist nämlich Neujahr! Alles Gute allen daheim in Deutschland und auch allen See- und Landfahrern unterwegs!
Das Ratespiel mit den Signalraketen geht übrigens glimpflich ab, nur einmal bekomme ich eine Unterwasserbeleuchtung, denn alte Rettungsraketen kommen nun mal gerne brennend runter.
Die Tobago-Cays verlässt man ungerne, so wird der Ableger bis um 14.00 h hinausgezögert, unter Fock geht es dann nur fünf Meilen weiter bis nach Union Island. Am ehemals feudalen Anchorage Yachtclub bekomme ich einen Liegeplatz am Schwimmsteg, dazu Wasser und sogar Landstrom. Im „Lambi” spielt heute eine kleine, aber gute Steelband auf frisch mit dem Hammer gestimmten Fässern, nach dem Essen schwingt erst Anita und dann doch die ganze Mannschaft noch ein Weilchen das Tanzbein.

02.01.2007

Dienstag, 02. Januar 2007

Dienstag, 02.01.07 – Na gut, hier an paar Vorurteile: Italiener sind sehr gesellig, Amerikaner eher nicht. Jedenfalls kommt uns am Morgen ein italienischer Katamaran so nah, dass er meine Ankerkette um seinen Propeller wickelt. Klärt sich alles schadensfrei. Zwei kurze, aber schön windige Segelstunden später in der leider übervollen Saltwhistle Bay beschwert sich dann eine Amerikanerin mitten in meinem Ankermanöver, das wir ihr zu nahe kommen, das empfinden hier alle als überflüssig, zumal die Dame so offensichtlich recht hat, dass wir das Manöver ohnehin wiederholen müssen und aufgrund des felsigen Untergrundes dann rasch an eine gerade frei werdende Muringboje verholen. Kann hier an Bord niemandem die Stimmung vermiesen, die Bucht ist trotzdem traumhaft, leert sich gegen Abend noch ein wenig und wird ihrem Ruf, mit dem palmbestandenen Isthmus zu den Cays hinüber eine der schönsten Buchten der Welt zu sein, völlig gerecht. Der Spaziergang auf der Luvseite der Landzunge ist nur schwer zu toppen: Sonnenuntergang, jagende Pelikane, zufälligerweise auch noch ein großer Rahsegler beim Segelsetzen, danach zum Sundowner an die dezente Bar hinter dem weißen Strand.
Die Krönung des Tages trotzdem: Christian kocht Kallalu! Und danach noch ein schöner romantischer Gitarrenabend unterm Sternenhimmel, der Anita dazu verleitet, meinem Skipper ein Küsschen auf die Wange zu schmatzen.

03.01.2007

Mittwoch, 03. Januar 2007

Mittwoch, 03.01.07 – Just another day in paradise…einfach eine Insel weiter, heute bis nach Cannouan. Acht Meilen hoch am Wind, dann ist die erste Bucht (Glossy Bay) etwas zu rollig zum Übernachten, aber die zweite (Rameou Bay) ist sowohl wind- als auch seegangsgeschützt. Zwei Fischer bieten ihre Dienste an und kommen eine Stunde später mit einem Riffbarsch, einem Red Snapper und zwei Königsmakrelen zurück. Guten Appetit!

04.01.2007

Donnerstag, 04. Januar 2007

Donnerstag, 04.01.07 – Olivia (12 Jahre) aus Kerikeri in Neuseeland muss noch ihre Hausaufgaben für die Fernschule machen: Ein Interview mit jemandem, der etwas als Freiwilliger geleistet hat. Also Wolfgang und sein Job als Netcontroller bei der ARC, von der wir die SY „Hullalaboo” kennen. Nach der Schulstunde geht der Kurs weiter nach Norden. Weil das jetzt viele Am-Wind-Kurse werden, wird meine kleine Fock gesetzt, damit geht es zügig und schön hoch am Passatwind in Richtung Bequia. Zwischen Petit Nevis und Bequia gibt es eine kniffelige Kreuz zu bewältigen, kräftiger Gegenstrom und viele Felsen in der engen Passage zwingen meine Mannschaft zu superschnellen Wenden, an manchen Tagen ist Segeln doch noch echter Muskelsport! Die Friendship Bay wird wie die Glossy Bay als zu unruhig empfunden, aber hinter Petit Nevis liege ich prima vor der alten Walfangstation.

05.01.2007

Freitag, 05. Januar 2007

Freitag, 05.01.07 – Petit Nevis ist eines von Wolfgangs Lieblingsplätzchen auf diesem Planeten. Auf dem Eiland erinnern die alten Trankessel an die Vergangnheit der Gegend als Walfangrevier, der Luvstrand lädt zu einem Spaziergang in völliger Einsamkeit und eine kleine Fischerhütte unter den Palmen bietet sich als Altersruhesitz für Christian und Wolfgang an.
Nach der Inseltour wird wieder gesegelt, heute darf Anita für die Kreuz am Devil’s Cay ans Ruder. Weiter draußen entschließt sich ein großer Thunfisch, als Braten in der Pfanne zu landen, die Crew dankt herzlich!
An der Südseite von St.Vincent bilden die beiden Inselchen Young Island und Fort Duvernette einen Ankerplatz, in dem wegen der starken Strömung Festmachebojen ausliegen. Und die sind derartig überdimensioniert, dass mein bojengebrandmarkter Skipper und ich (immerhin hatten wir zwei Strandungen wegen gerissener Festmachebojen…) ausnahmsweise mal volles Vertrauen haben. Den Thunfisch gibt es kurz angebraten, innen rosa, dazu frische Tomaten-Kräutersauce und bunte Nudeln.

06.01.2007

Samstag, 06. Januar 2007

Samstag, 06.01.07 – Landausflug, und ich darf wieder mal nicht mit. Darf nicht in den ältesten botanischen Garten der westlichen Hemisphäre und Captain Bilghs Brotfruchtbaum anschauen, darf nicht mit auf den bunten Gemüsemarkt etc. Ich finde Landausflüge doof, aber die Crew und der Skipper kommen ja regelmäßig und auch heute begeistert wieder, wird sich wohl nicht verhindern lassen. Erst am Nachmittag darf ich wieder mitspielen, allerdings nur für ein paar Meilen bis in die Wallilabou-Bay. Wenigstens bekomme ich zum Trost einen spektakulären Platz direkt unter den Galgen von „Fluch der Karibik”. Täglich ab 17.00 h schiebt hier passenderweise ein Zöllner aus Kingstown ein paar Überstunden, so dass die Formalitäten für die Weiterreise nach St. Lucia erledigt werden können. Die Zwillinge Ron und Ronny kochen in ihrer neuen Kneipe ein prima Abendessen für meine Mannschaft, Ron mixt einen Rumpunsch, an dem sich Wolfgang den ganzen langen Abend lang festhält. Ausnahmsweise mixt Ron aber nix anderes ins Essen…

07.01.2007

Sonntag, 07. Januar 2007

Sonntag, 07.01.07 – Christian hat Geburtstag! Natürlich wird hier an Bord zünftig reingefeiert, herzlichen Glückwunsch!
Das schönste Geschenk machen die Götter: Eine herrliche, leichte Vollzeugbrise zieht uns bis vor die Pitons, das sind die beiden maiskolbenähnlichen Bergspitzen an der Südseite von St. Lucia. Unterwegs gibt es das letzte Sashimi vom Thunfisch, dann einen herrlichen Sonnenuntergang, und mit dem letzten Tageslicht lotst uns einer der freundlichen Dienstleister der Gegend an eine freie Boje vor einem kleinen Restaurant. Das schmeckt es so gut, dass Wolfgang einen Zweitbesuch mit der nächsten Crew fest einplant. Nur das Anlanden mit dem Beiboot muss noch verbessert werden, es ist reine Glücksache, dass Anita noch alle beide Schuhe hat.

08.01.2007

Montag, 08. Januar 2007

Montag, 08.01.07 – Der nächste Landausflug…diesmal zu den Schwefelquellen und zum Wasserfall. Wenigstens bleiben Christian und Wolfgang hier und leisten mir Gesellschaft.
Auf dem Weg zur Marigot Bay angelt Norbert einen Tunfischkopf. Da war der Hai wohl schneller.
In der Marigot Bay kommen wir gerade rechtzeitig zur happy hour an, Probetrinken noch hier an Bord mit zwei frischen Kokosnüssen, die Wolfgang mit der Machete köpft, danach an der Bar des „Doolittle’s” zwei Rumpunsch für den Preis von einem, dazu die Kulisse der berühmtesten Bucht der Gegend, das kann man sich ja nicht entgehen lassen…

09.01.2007

Dienstag, 09. Januar 2007

Dienstag, 09.01.07 – Das Wetter bleibt uns treu, noch ein toller Segeltag, 40 Meilen bis in die Marina Pointe du Bout gegenüber von Fort de France auf Martinique. Das Einklarieren in die EU kann mit der Weile an der Tankstelle erledigt werden, prima. Nicht so prima: Christian muss nach dem Abschiedsdinner schon heute zum Flieger. Aber er kommt ja hoffentlich bald wieder! Tschüss und bis demnächst!