Von Malta nach Malta – September 1998

20.09.1998

Sonntag, 20. September 1998

Sonntag, 20.09.98 – Margit Beslmeisl landet pünktlich aus München, und sokönnen wir nach kurzer Sicherheitseinweisung und mit frischem Diesel im Tank starten. Der Wind reicht gerade so zum gemütlichen Schiffskennenlernsegeln,aber es sind ja wieder nur 19 Meilen bis Gozo. In Mgarr kennen mich dieBehörden schon, da wird das Ausklarieren sicher kein Problem. In den nächsten 14 Tagen wollen wir Sizilien umrunden, also müssen die ganzen Zollformalitäten wieder erledigt werden. Diesmal ohne Hund, aber wer weiß, was den maltesischen Zöllnern noch so einfällt. Eine Nacht bleibt ja noch zur Vorbereitung auf den Verwaltungsmarathon…

21.09.1998

Montag, 21. September 1998

Montag, 21.09.98 – Buchtverbot! Nach dem Ausklarieren müssen die maltesischen Hoheitsgewässer auf kürzestem Weg verlassen werden, ohne Badestop, obwohl auf dem Weg nach Sizilien noch ein paar schöne Buchten liegen. Wer da noch über die deutsche Bürokratie schimpft, der soll mal auf Malta segeln. Um 11:40 Uhr lösen wir die Leinen und nehmen Kurs auf San Leone. Das sind wieder 90 Meilen, also wird es wieder eine Nachtfahrt. Allerdings hat mit der Mondphase auch das Wetter gewechselt, und bei leichten östlichen Winden und unter ungerefften Segeln wird die Nacht eher romantisch-gemütlich. Wolfgang (Crew) hat eine Sternenkarte mitgebracht, die wird ausprobiert, außerdem sind viele Frachter unterwegs, die auf dem Radar verfolgt werden müssen, damit eine etwaige Kollisionsgefahr früh genug erkannt wird, und so wird’s auch mit wenig Wind nicht langweilig

22.09.1998

Dienstag, 22. September 1998

Dienstag, 22.09.98 – In San Leone werden wir freundlich begrüßt, Formalitäten sind keine zu erledigen, EU sei Dank! Der Marinero des neuen Sportboothafens vertäut meinen Bug an einer Ankerboje, achtern hilft er uns dann noch mit der Gangway, das geht alles ratz-fatz, und so bleibt der Nachmittag frei für die Tempel des antiken Agrigent. Die riesigen dorischen Säulen erzählen vom Reichtum der alten Griechen. Die Dekadenz ging sogar soweit, daß den Wachposten per Gesetz verboten werden mußte, mehr als eine Matratze, eine Decke und zwei Kopfkissen auf den Ausguck mitzunehmen!

23.09.1998

Mittwoch, 23. September 1998

Mittwoch, 23.09.98 – Spinnacker segeln vom Ableger in San Leone bis zum Anleger in Sciacca! Zwischendurch kontrolliert uns die italienische Küstenwache über Funk. Wolfgang bekommt darüber fast den Behördenverfolgungswahn, aber kurz vor dem Hafen spielen ein paar große Delphine in meiner Bugwelle, das beruhigt … Die Sizilianer am Steg helfen uns wieder beim Festmachen, erklären uns die Hafenanlagen und den Weg zur Altstadt und leider sind wieder weit und breit keine finsteren Mafiosi zu sehen. Da kann ich die Mannschaft beruhigt in die Hafentrattoria zum Fischessen gehen lassen…

24.09.1998

Donnerstag, 24. September 1998

Donnerstag, 24.09.98 – Hafentag! Sauwetter! Es regnet, stürmt, Wind aus der falschen Richtung… Also bleiben wir liegen und finden auch endlich heraus, wie man Sciacca ausspricht. Neben uns liegt eine Fahrtenyacht aus England,und da wird uns bewußt, daß wir abseits der üblichen Segelrouten und -reviere unterwegs sind. Ansonsten sind nämlich keine anderenTouristen zu sehen. Die letzten Charteryachten lagen auf Malta, und auch da waren es nur sehr wenige. Wenn man jetzt also mal einen anderen Segler trifft, kommt gleich das große „Woher?“ und „Wohin?“, Wetterinformationenwerden ausgetauscht, technische Details erläutert und was einem nochso einfällt.
Die Engländer wollen in Tunesien überwintern und ärgern sich, daß sie nicht gestern gefahren sind, als das Wetter noch besser war.

25.09.1998

Freitag, 25. September 1998

Freitag, 25.09.98 – Gegen Mittag wird das Wetter etwas besser, also legen wir ab. Am Capo San Marco schlüpfen wir unter einer dicken Reihe Cumulonimbuswolken durch und weil die ganze Mannschaft ihr Ölzeug angezogen hat, regnet es nicht! Die Kaltfront ist schon sehr abgeschwächt und erscheint wie das Tor zur Sonne. Wir selber stecken direkt drunter, an Steuerbord und Backbord gehen kräftige Schauer nieder aber vor uns ist schon alles hell. Plötzlich dreht der Wind von Südost auf Südwest, plötzlich wechselt die Luft von schwülfeucht auf kühltrocken und plötzlich wird das ganze mühsam angezogene Ölzeug von innen naß, weil die Sonne wieder scheint und uns daran erinnert, daß Sizilien kurz vor Afrika liegt!
Am Abend erreichen wir Marsala, das einen völlig ausgestorbenen Eindruck macht, obwohl die Altstadt sehr schön ist und zum Flanieren einlädt. Keine Menschenseele auf der Straße! Und das abends in Italien! Ob der Obermafioso wohl eine Ausgangssperre verhängt hat, weil die Piraten von der Galateia kommen?

26.09.1998

Samstag, 26. September 1998

Samstag, 26.09.98 – Vorsichtshalber wird das Großsegel mal wieder vor dem Auslaufen gerefft… Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen zieht ins Mittelmeer, heute ist allerdings Zwischenhocheinfluß mit stürmischen Südwestwinden.Der Badestopp auf den egadischen Inseln vor Trapani muß deshalb ausfallen. Zum Ausgleich: neuer Geschwindigkeitsrekord bei langer Dünung ausSüden und Raumschotskurs.
Nicht acht, nicht neun, sondern zehn. Und zwar Komma vier. In Zahlen: 10,4 Knoten.
Ab dem Capo San Vito segeln wir in Lee von Sizilien, kurzfristig flaut es sogar soweit ab, daß wir den Badestopp nachholen können.Durch die tiefen Täler an der Nordküste pfeift der Wind aber weiterhin und bis zur Fraueninsel gönnt man mir keine Pause mehr. (Keine Angst, die heutigen 62 zurückgelegten Meilen reichen nicht bis zum Chiemsee, aber kurz vor Palermo gibt es auch Frauen!)
Halbzeitfest in einer sizilianischen Trattoria: Der Kellner; „Abbiamo solo pesche!“ Die Mannschaft: „Si!“
Speisenkarte? Fehlanzeige! Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!
Und das in ungefähr folgender Reihenfolge:
Erstens Antipasti: eingelegte Sardellen, fritierte Sardinen, Tintenfischsalat, Krabbencocktail, Fischklößchen, fritierte Skampi, Schwertfischfilet, gebratene Red Snappers, eingelegte Sepia, Knoblauchbrot mit frischen Tomaten, roher Seeigel und frische Austern (zuckten noch!)
Zweitens Primi Piatti: Bandnudeln mit Sahne und Fisch, Spiralnudeln mit Fenchel und Krabben, Risotto mit Meeresfrüchten. Drittens Secondi Piatti: Hummer (Jeder einen halben) und gemischter Fisch vom Rost mit Beilagen.
Viertens Dolce: Obstkuchen. (Für alle, die noch können…)
Währenddessen: Guter Weißwein und Mineralwasser.
Zum Abschluß: Limonengrappa Quanta costa? Ca 200,- DM, da würden wir das ganze ja gerne noch mal bestellen, aber das geht nicht, weil man hier ja nicht bestellen kann, weil ja schließlich einfach gegessen wird, was auf den Tisch kommt…

27.09.1998

Sonntag, 27. September 1998

Sonntag, 27.09.98 – Nachts ist wieder eine Regenfront durchgezogen, morgens sieht es noch nicht so gut aus, aber um 12:00 Uhr ist das Abendessen verdaut und die Leinen werden losgeworfen. Um 18:00 Uhr geraten wir in ein heftiges Gewitter, das sich erst mit den ersten Hochrechnungen von der Bundestagswahl wieder auflöst. Sieht aber fast wie ein Fernseher aus, wenn das Schiebeluk zu und der untere Teil des Steckschotts eingesetzt ist und Wolfgang als Nachrichtensprecher im Niedergang hockt. Nur, daß die Zuschauer normalerweise nicht im Regenkombi vor der Glotze sitzen. Die Wahlparty findet mit zwei Dosen Bier statt, zum vorläufigen Endergebnis gibt es endlich den angekündigten Westwind und anstatt rauschender Feste haben wir eine rauschende Nachtfahrt unter sternklarem Himmel zu den liparischen Inseln.

28.09.1998

Montag, 28. September 1998

Montag, 28.09.98 – Auf Vulcano fällt um 07:45 Uhr der Anker. Neben meinem Heck blubbert eine Schwefelquelle. Auf der Pier huschen übergewichtigeGestalten im Bademantel herum. Es stinkt nach faulen Eiern. Die Felsen sind gelb, grün, rot oder sonstwie bunt. In einem großen Schlammpfuhl schmieren sich Menschen Lehm ins Gesicht. Andere Menschen hocken über Erdspalten und atmen aufsteigende Dämpfe ein. Am Strand verbrennt man sich die Füße im Wasser. Und das soll gesund sein!? Und die ganze Mannschaft hüpft auch noch in die Schwefelquellen! Den Mief kriege ich doch nie wieder aus den Polstern!
Um 13:40 Uhr legen wir wieder ab in Richtung normale Menschen, mit ausgebaumter Fock und vollen Segeln. Kurz vor der Straße von Messina wird es dunkel und damit spannend. Margit bekommt eine Radareinweisung und dann wird verschärft Ausguck gegangen. Zwischen Messina und dem Festland sind ständig ca.8 Fähren auf dem Wasser und kreuzen das Verkehrstrennungsgebiet, indem sich die Frachter und wir rechts halten müssen. Zwischendurch sind noch viele kleine Fischer unterwegs, die sich erst bei Annäherung durch eine Taschenlampe bemerkbar machen. Leider können wir auch nicht langsam fahren, weil uns der Strom mit zwei bis drei Knoten schiebt. Klappt aber wieder mal alles bestens, und weil weder Messina noch Reggio di Calabria besonders anziehende Häfen sind, laufen wir gleich weiter bis Taormina, auch wenn’s spät wird.

29.09.1998

Dienstag, 29. September 1998

Dienstag, 29.09.98 – Morgens um zwei ist bei den Fischern noch was frei! Der gleiche Liegeplatz wie mit der vorherigen Crew, vor Buganker, aber so ein bißchen an ein Fischerboot angelehnt, falls der Ätna mal eine Fallbö hier herunter schickt. Und damit bin ich jetzt schon um Sizilien gesegelt, nur die Mannschaft noch nicht. Heute ist Hafen- und Ausruhtag, wohlverdient nach der Meilenfresserei in den letzten Tagen, morgen sind dann hoffentlich alle ausgeschlafen für den Endspurt!

30.09.1998

Mittwoch, 30. September 1998

Mittwoch, 30.09.98 – Das mit dem Wind ist so: Manchmal kommt er genau aus der richtigen Richtung und genau in der richtigen Stärke. Heute von 10:00 Uhr bis10:45 Uhr, da segeln wir nämlich Spinnacker. Manchmal ist einfach zu wenig Wind. Da wird dann der Golf angeworfen. Heute von 11:00 Uhr bis 12:15 Uhr. Und manchmal ist toller Wind, nur aus der falschen Richtung. Da wird dann gekreuzt. Heute für den Rest des Tages, deshalb wird es mal wieder Nacht, bis wir in Syracus sind… Durch die vielen Kreuzschläge kommen wir oft dicht unter Land, deshalb wissen wir jetzt, wo die italienischen ehrenwerten Gesellschaften ihre Ferienvillen haben. Auf einem Anwesen springt sogar die Alarmanlage an, als wir uns annähern, man weiß in diesen Kreisen ja nie, wer gerade Freund und wer Feind ist! In Syracus legen wir in Porto Piccolo an, und obwohl es schon 22:40 Uhr ist, bis ich endlich fest vertäut bin, schließt ein Marinero noch die Duschen und Toiletten für die Mannschaft auf. Sind schon nett die Sizilianer.

01.10.1998

Donnerstag, 01. Oktober 1998

Donnerstag, 01.10.98 – Die große Überfahrt nach Malta steht wieder auf dem Programm. Der Morgen wird von Margit, Christian und Dietrich in der Stadt verbracht. Wolfgang und Wolfgang spülen währenddessen nochmal den Dieseltank durch, weil da immer noch Dreck drin sitzt. Am frühen Nachmittag geht die Reise los, der Wetterbericht ist zwar nicht so günstig, aber watt mutt, datt mutt. Südwestwind verhindert den direkten Weg. Aber am Capo Passero dreht der Wind etwas und Kurs Malta liegt an. Von Mitternacht bis um 07:00 Uhr am

02.10.1998

Freitag, 02. Oktober 1998

Freitag, 02.10.98 – fällt das Barometer von 1015 hektoPascal auf 1009 hektoPascal, der Wind dreht rück auf Südost, und im Westen ist es am frühen Morgen schwarz. Die Farbe schwarz auf See… Wolfgang läßt mich sturmklar machen! Loses Tauwerk wird festgezurrt, Christian und der erste Wolfgang schlagen die Sturmfock an und bergen das Großsegel. Zwischendurch liegt noch ein Frachter auf Kollisionkurs, der nach Anfrage auf Kanal 16 aber hinter uns durch will. Im Gewitter geht dann die Sicht fast ganz aufNull zurück, der Wind schießt böig auf Nordwest aus und dreht dann wieder zurück auf Ost. Allerdings geht er auch zurück auf sieben Bft., also wird die Arbeitsfock wieder angeschlagen und Dietrich steuert mich im Tiefflug nach Valetta.
Und dann mal wieder maltesischer Zoll… guckt sich der Oberzöllner die Crewliste an und sieht, daß da zweimal Wolfgang Weber draufsteht. Und fragt dann, ob Wolfgang der Bruder von Wolfgang ist? Der Bruder! Zwei Brüder mit dem gleichen Namen? Da muß man erst mal drauf kommen!! Vielleicht sind maltesische Eltern ja so phantasielos?! Wolfgang hat jedenfall sein Souvenir für die Pantry gekauft: eine Tasse, die aussieht wie ein maltesischer Polizist. Zur Erinnerung, daß fast alle maltesischen Beamten Hohlköpfe sind…
Das Abschiedsessen findet in dem alten Schoner „Black Pearl“ statt, der hoch und trocken in der Marina als Restaurantschiff steht, Und die neueCrew kommt da auch hin, mein Erster Offizier und meine Finanzchefin (Dieter und Uschi, Wolfgang’s Eltern) mit Anhang (Dieter Seibel, Wolfgang Gutt und Manfred Friedrichs) das wird ein langer Klön-Abend.
Manfred und Wolfgang kenne ich schon von früheren Törns mit Dieter, nur Dieter ist noch nicht mit mir gesegelt. Wolfgang findet es auch lustig, daß Wolfgang und Wolfgang beide Weber heißen, und der andere Dieter heißt eigentlich auch noch Wolfgang. Dietrich reist ja morgen ab, sonst wäre das Chaos wohl perfekt. sonst alles klar, ja?