Von Malta nach Mallorca – Oktober 1998

03.10.1998

Samstag, 03. Oktober 1998

Samstag, 03.10.98 – Wolfgang, Wolfgang, Dieter, Dieter, Manfred und Uschi räumen sich ein und mich um, bunkern und basteln und was man halt so bei Crewwechsel zu tun hat.. Abends sitzt die ganze Runde gesellig im Cockpit und genießt die Aussicht auf die Festungsmauern von Valetta. Niemand hat Lust, noch mal in die Stadt zu gehen.
Kann ich verstehen. Der schönste Platz auf Malta ist meine Aussichtsterasse!

04.10.1998

Sonntag, 04. Oktober 1998

Sonntag, 04.10.98 – Vor der Hafeneinfahrt verabschiedet uns eine Meeresschildkröte und vor der Hafeneinfahrt von Mgarr auf Gozo begrüßen uns Delphine! Da wollen wir mal darüber hinwegsehen, daß unterwegs Dünung 1 und Dünung 2 und der Wind und die Strömung aus völlig verschiedenen Richtungen kommen und dem Meer ein etwas pickeliges Aussehen verleihen. Ein schöner „Einsegeltag“ ist es trotzdem!

05.10.1998

Montag, 05. Oktober 1998

Montag, 05.10.98 – Kurs West! Ohne Auszuklarieren! Sollen sie mich suchen, bis sie schwarz werden, die Hohlköpfe! Ziviler Ungehorsam! Jawoll! Das nächste Tiefdruckgebiet ist im Anmarsch, und wir wollen auf der Vorderseite mit Ostwind bis Pantelleria segeln, 140 Meilen vor dem Bug, da kann uns der Zoll in Valetta mal… Das Großsegel ist einmal gerefft und der Ostwind paßt wunderbar. Allerdings bereitet sich „Maritime Unpäßlichkeit“ aus. Logbucheintrag zum Tage: „Es war sehr hoher Seegang, aber der Wind war gut. Von den Wellen war einigen schlecht. Uschi war es ganz schlecht.“

06.10.1998

Dienstag, 06. Oktober 1998

Dienstag, 06.10.98 – Um Mitternacht liegt Portoroz genau nördlich: Kurs West wird Wirklichkeit, beim nächsten Mal soll dieser Längengrad von der anderen Seite her kommend überquert werden.
Wolfgang, Dieter und ich hängen in den frühen Morgenstunden bei Seegang fünf und Wind um sieben Bft so unseren Gedanken nach, aber mit Tagesanbruch kommt wieder Leben in den Rest der Mannschaft, Pantelleria taucht aus den Wolken auf, der Anleger muß vorbereitet werden, und so ist wieder Schluß mit der Romantik. Ein Pärchen aus Finnland läßt uns im Fischerhafen längsseits kommen, der Rest des Tages wird verpennt

07.10.1998

Mittwoch, 07. Oktober 1998

Mittwoch, 07.10.98 – Frontdurchgang: Hafentag. Der „kleine graue Freund“ ( Wolfgangs Laptop) macht die Törnplanung angenehm. Die aktuellen Wetterkarten werden von Hamburg aus zweimal täglich aktualisiert und gelten bis zu 96 Stunden im voraus. Das macht das Wetter auch nicht besser, aber besser einschätzbar.
Auf dem Bildschirm nebeneinander gestellt ergeben die Vorhersagekarten ein gutes Bild vom Wettergeschehen für die nächsten Tage. Und die Prognose für heute lautet Landgang.
Uschi, Dieter und Wolfgang erkunden Pantelleria im Leihwagen, und Manfred, Dieter und Wolfgang bauen ein neues Abstimmgerät für die Achterstagantenne ein, damit die Faxen noch besser werden. (Mit den Vornamen kommt ihr zurecht, oder?)
Pantelleria ist ein erloschener Vulkankegel, es gibt viele heiße Quellen und den „Lago di Vamera“, der wie ein blaues Auge in der Schwarzen, bizarren Lavalandschaft liegt. Eine andere Lavaformation sieht aus wie ein Elefant, der seinen Rüssel ins Meer hängt! Der ganzen Insel haftet ein merkwürdiger Charme „von gestern“ an, Reisende sind außer uns und ein paar anderen Yachties auf dem Weg nach Tunesien keine mehr da, Hotels stehen verlassen an der Hafenpromenade, in den Cafes warten nur die Fischer auf besseres Wetter, aber mir gefällt’s abseits der Pauschaltouristenrouten!

08.10.1998

Donnerstag, 08. Oktober 1998

Donnerstag, 08.10.98 – Das Barometer steigt und mit ihm unsere Lust zu segeln! Mit schönem Rückseitenwetter und meinen geliebten 270 Grad am Kompaß nach Afrika! Um 14:00 h kommt es in Sicht und mit einem herrlichen Sonnenuntergang laufen wir in den Hafen von Kelibia ein. Die Zollformalitäten laufen in sehr lockerer Atmosphäre ab, dauert zwar auch alles seine Zeit, ist aber wenigstens mit einem „Herzlich willkommen!“ und einem Lächeln verbunden!
Zum Abendessen verholt sich die Mannschaft in die erste beleuchtete Kneipe und bestellt Fisch. Wolfgang sagt ja immer: „Erst essen, dann fragen, wie wir bezahlen können!“ Tunesisches Geld hat natürlich niemand, die Banken sind längst geschlossen und das Kreditkartenwesen ist leider noch nicht bis in diese Fischerkneipe vorgedrungen.
Bis zum Hauptgericht weiß Uschi aber schonmal, wie das Geld hier heißt: Dinar. Wolfgang fragt dann nach dem Wechselkurs und dann kommt der Kellner mit einem Zettel, auf dem steht 10. 00 DM = 6.450 Din. Das Essen kostet 41.000 Din. Uschi bezahlt mit DM 100,- und bekommt 20 Din und irgendwelche kleinen Münzen mit schönen arabischen Schriftzeichen zurück. Da fehlen also über 20.000 Din! Wolfgang fragt am Nachbartisch nach dem Wechselkurs für französische Franc, die sind hier bekannter. Die Antwort: Zehn Dinar sind gleich zehn US-Dollar und irgendwas mit hunderten Tausendern.
Irgendwann ist der Groschen dann gefallen, ein Dinar hat nämlich tausend Milim oder so ähnlich, auf französisch „mille Milim“, das Essen kostet also nur 41 Dinar, dann kann die ganze Kopf- und zettelrechnende Crew ja noch auf einen Kaffee in ein Café gehen und das Wechselgeld verprassen! (Klappt aber nicht, der Kaffee ist zum Geld verprassen viel zu billig, und vor alkoholische Getränke hat Allah den Koran gesetzt!)

09.10.1998

Freitag, 09. Oktober 1998

Freitag, 09.10.98 – Leicht nördliche Winde bescheren uns einen schönen Segeltag, auch wenn das Cap Bon es nicht „gut“ mit uns meint und wir kurzfristig sogar den Motor brauchen, um gegen die Strömung anzukommen. Eine schöne Goldmakrele beißt an, kann sich aber leider wieder vom Haken befreien, also werden die Nudeln doch mit Corned Beef gekocht.
Genau um Mitternacht legen wir im Yachthafen von Tunis an, ein freundlicher Helfer belegt die Achterleinen und bekommt ein ordentliches Trinkgeld, weil er schon den ganzen Abend auf uns wartet: Die Behörden in Kelibia haben uns nämlich bereits in Tunis angemeldet, wenn ich das gewußt hätte, wäre ich doch ein bißchen schneller gesegelt!

10.10.1998

Samstag, 10. Oktober 1998

Samstag, 10.10.98 – Hafentag zur Besichtigung von Tunis. Ich bin unschuldig, ich war die ganze Zeit an meinem Liegeplatz! Ich weiß nicht, warum der andere Dieter plötzlich vom Rest der Mannschaft abgetrennt war. Entweder steigen alle an der falschen Haltestelle aus oder keiner! Ich weiß auch nicht, wie Wolfgang dem Masseur im Türkischen Bad die Dreckröllchen, die sich von seinem Rücken lösten, erklärt hat. Ich weiß auch nicht, wieso er verhaftet und gleich wieder freigelassen wurde! Ich weiß auch nicht, weshalb Dieter dem Taxifahrer eine technische Zeichnung von mir anfertigen mußte, um zur Marina zu finden. Uschi hatte ihm doch erklärt: “ Nous avons un bateau. dans l’eau!“ Ich weiß auch nicht, weshalb die Frauen im Bazar so gelacht haben, als Wolfgang seine überfluteten Sandalen ausgekippt hat. Oder warum das Essen so scharf ist. Oder weshalb man bei strömendem Regen kein Taxi bekommt. Oder warum trotzdem immer alles irgendwie funktioniert. Oder auch nicht. Oder weshalb die Leute trotzdem immer ein Lächeln parat haben. Hier ist eben alles anders, hier ist eben Afrika…

11.10.1998

Sonntag, 11. Oktober 1998

Sonntag, 11.10.98 – Eigentlich wollten wir ja bis nach Bizerte…Aber eigentlich sind sechs bis sieben Beaufort aus West an der tunesischen Nordküste auch ein ziemliches Gegenargument. Der Herbst ist und bleibt stürmisch in diesem Jahr… Direkt unterhalb der Ruinen von Karthago liegt die kleine Marina „Sidi Bou Said“, und um 13.00 h liege ich mittendrin.
Das heutige Karthago ist ein schöner Vorort von Tunis, Wochenendausflügler bummeln am Strand entlang oder kommen zum „Schiffe-Gucken“ in die Marina, und meine Crew macht das einfach genauso. Abends klimpert der Skipper mal wieder ein bißchen auf der Gitarre, so ist es anstatt einer knüppelharten Kreuz in der Straße von Sardinien ein gemütlicher Segelurlaub-Urlaubstag geworden.

12.10.1998

Montag, 12. Oktober 1998

Montag, 12.10.98 – Eingeweht. Es stürmt. Macht nix, wird Karthago doch noch besichtigt! Und Wolfgang und Dieter haben Zeit zum Basteln und Schreiben. In umgekehrter Reihenfolge natürlich. Also Dieter bastelt und Wolfgang schreibt, weil, wenn Wolfgang basteln würde und Dieter sollte währenddessen schreiben, also, das wäre wahrscheinlich nicht so gut für mich…

13.10.1998

Dienstag, 13. Oktober 1998

Dienstag, 13.10.98 – Eingeweht! Es stürmt! Wenigstens scheint heute die Sonne, Manfred und Dieter gehen sogar schwimmen. Aber der Strand liegt auch im Schutz vom Kap Karthago…Auf See weht immer noch ein stürmischer Westwind, mit dem wir prima nach Malta könnten, wenn wir da nicht gerade erst herkämen!
Am Nachmittag verschwindet die ganze Mannschaft in die Altstadt von Sidi Bou Said und sammelt Eindrücke: Kupferschmiede sitzen vor ihren winzigen Läden und treiben Ornamente in Schüsseln und Tabletts, fliegende Händler labern amerikanischen Touristen die Taschen voll und in den ruhigeren Gassen huschen verschleierte Gestalten durch reich geschmückte Hauseingänge.
Auf dem höchsten Punkt der Altstadt steht der Leuchtturm C.Carthage: 146 Meter über dem Meer eine riesige Glühbirne zwischen einem mechanisch umlaufenden Spiegel und einer ebenfalls mitlaufenden Linse , das leuchtet dann 22 Seemeilen weit!
Zum Abendessen brät Uschi „Edelfrikadellen“ aus reinem Rinderhack, denn auch vor das Schweinefleisch hat Allah bekanntlich den Koran gesetzt!
Nachtrag zu gestern: Wolfgang verbringt den Abend bei eines Freundes Freund, dem Weltphotomodell des Jahres 1996, und seinem Bruder, dem Nationaltorhüter der tunesischen Fußball-Nationalmannschaft. Mal ganz was anderes, Danke an Peter!

14.10.1998

Mittwoch, 14. Oktober 1998

Mittwoch, 14.10.98 – Na jetzt aber endlich. Die Zollformalitäten gehen ziemlich schnell, weil der Oberschiffdurchsuchungsbeamte eine gutaussehende Dame auf der Pier stehen hat, die er anscheinend nicht länger warten lassen möchte. Allah, sende allen Zöllnern dieser Welt mehr von diesen Damen, ich gönne sie ihnen von Herzen!
Um 11.30 h verlassen wir tunesischen Boden, schippern den Nachmittag an der Westseite des Golfs von Tunis hoch und sind mit Sonnenuntergang in internationalen Gewässern, Kurs Nordwest, nach Sardinien. 150 Meilen und ein Verkehrstrennungsgebiet liegen vor meinem Bug.
Wolfgang wagt sich trotz der alten Dünung, die mich ganz schön schaukeln läßt, in die Pantry und kocht ein Zwiebelsüppchen, das gibt Kraft und Luft für die Nachtfahrt! Im Dampfertreck werden wir nur einmal von einem Frachter aus dem Weg geblinkt. Leider haben ja in Verkehrstrennungsgebieten die „Richtigfahrer“ und nicht die querenden Segelyachten Wegerecht, und schon gar nicht die schräg querenden…

15.10.1998

Donnerstag, 15. Oktober 1998

Donnerstag, 15.10.98 – Ein Hochdruckgebiet! Ein richtiges Hochdruckgebiet! Gut, daß der Laptop eine Rechtschreibkorrektur eingebaut hat, Wolfgang wußte ja schon nicht mehr, wie man Hochdruckgebiet schreibt! Die Windrichtung ist noch nicht so ganz optimal (WNW), aber es ist ein Hochdruckgebiet! Zum ersten Mal seit vier Wochen übersteigt das Barometer die 1020 hp-Marke deutlich!
Obwohl Lipso erst nächste Woche wieder an Bord kommt, bleibt das Arche-Noah-Feeling nicht ganz aus. Das mit dem Wachhundkater und dem Rest von den Edelfrikadellen wollte ich eigentlich nicht erzählen, weil Christoph sonst im Büro wieder Tobsuchtsanfälle kriegt, aber daß wir heute Zwischenstation für ein Rotkehlchen auf dem Weg nach Afrika sind, brauche ich ja nicht zu verheimlichen. Leider fliegt es wieder weg, dafür kommt ein Jungstar mit seinen lustigen Punkten im Gefieder und wird, frech wie Stars und Stare sind, richtig zutraulich.
Apfelstücke mag er am liebsten. Großfall und Baumniederholer sind jetzt nicht mehr bedienbar, da sitzt der Lütte nämlich drauf. Außerdem hat er auf das Luk der Stb-Achterkabine gesch…, aber das will ich ihm mal nachsehen, es gibt ja sonst keine Toiletten hier. Kaum ist Sardinien in Sicht, verläßt er sein „Taxi-Boot“ und kackt zum Dank für die schöne Überfahrt von Afrika nach Europa auch noch auf das Luk der Bb-Achterkabine und den umgebenden Decksbereich. Der Apfel scheint verdauungsfördernd zu sein…
Kurz vor Sonnenuntergang funkt uns eine französische Segelyacht auf Kanal 16 an: Sie sind auf dem Weg von Sardinien nach Ägypten und dann weiter in den Indischen Ozean. Auch nicht schlecht: „Kurs Ost“!
An der Westseite der Bucht von Cagliari liegen mehrere kleine Yachthäfen, das Radargerät lotst mich sicher um eine kleine Insel am Capo di Pula (keine Angst, ein anderes Pula!), Dieter erklärt Dieter, woran man nachts unbeleuchtete Molenköpfe erkennt, und um 23.20 h werde ich in der Marina „Perd’è Sali“ vom ersten angewiesenen Liegeplatz vier Meter weiter Richtung Hafenmitte verholt, weil ich über Nacht lieber schwimme, als mit meinem Kiel im Schlick zu stecken!
Der eine Wolfgang kocht noch fix sardinische Nudeln (mit Sardinen natürlich!), und der andere Wolfgang zählt mit dem Fernglas und dem Rest der Crew die Monde von Jupiter und Saturn. Für Astro-Interessierte: Jupiter steht zur Zeit sehr hell und fast die ganze Nacht im Sternbild Wassermann, die Monde Europa, Io, Ganymed und Callisto stehen auffällig in einer Linie auf „vier Uhr“ und sind wunderbar mit einem einfachen Fernglas zu erkennen!

16.10.1998

Freitag, 16. Oktober 1998

Freitag, 16.10.98 – Die Mannschaft entschwindet per Taxi zum morgendlichen Großeinkauf. Sardinien ist nur ein kurzer Zwischenhalt auf dem Weg zu den Balearen, und bis dahin sind es noch über 250 Meilen, also sicher über zwei Tage freien Wassers.
„Unser“ Hochdruckgebiet soll uns laut Wettervorhersage noch drei Tage lang treu bleiben, heute beschert es uns nach dem Ablegen einen sommerlichen Tag und eine tolle Spinnakerbrise: mit 120 Quadratmetern Ballonseide in Richtung Sonnenuntergang…
Zur ersten Nacht läßt Wolfgang allerdings wieder auf Normalbesegelung wechseln, weil’s sicherer ist. Die Wachen werden eingeteilt, und mit schöner Raumschotsbrise bei leichtem Seegang gleiten wir unter den Sternen hindurch. Sardiniens letzte Leuchtfeuer verschwinden hinter der Kimm, und dann sind wir alleine. Nix ist da draußen. Schön? Schön!!

17.10.1998

Samstag, 17. Oktober 1998

Samstag, 17.10.98 – Die Logbucheinträge im Original: 01.00 h : Wind Ost-Südost 4, sternklar, 1021 hp, Kurs 280°, Wachwechsel Dieter und Uschi an Wolfgang und Wolfgang, Pos.: 38°00’N, 007°58’E. Nächster Logbucheintrag: 04.00 h :alles wie gehabt, Wachwechsel an Dieter S. und Manfred, Pos.: 39°00’N, 007°42’E.
Einfach Bordroutine. Einfach geradeaus segeln. Einfach warten auf die Dämmerung. Das nächste besondere Vorkommnis? Vogelhochzeit um 19.30 h! Eine Amsel und ein Jungstar machen es sich gemütlich; der Star in der Obersaling und die Amsel unter dem Solarpaneel, im Relingsnetz, bei Wolfgang auf der Gitarre, bei Dieter S. auf dem Arm oder mitten auf dem Steuerrad! So’n verrücktes Vieh!

18.10.1998

Sonntag, 18. Oktober 1998

Sonntag, 18.10.98 – Der Star übernachtet auf der Saling und bleibt tatsächlich an Bord, bis Menorca in Sicht kommt. Und er schießt den Vogel ab. Er setzt sich nämlich zum Frühsport auf den Windanzeiger im Masttop und fährt Karussell. Aber das glaubt ja wahrscheinlich wieder niemand. Macht nichts. Stimmt trotzdem.
Jedenfalls laufen wir nach einem kurzen Badestopp um 15.00 h in den großen Naturhafen von Mahon ein. Für die meisten Crewmitglieder waren die vergangenen zwei Tage die längste Segelstrecke ohne Landsicht, und deshalb und weil’s so gut gelaufen ist, und weil Dieter und Wolfgang zum erstenmal Funkkontakt mit Dirk in Siegen haben, wird abends festlich und typisch spanisch mit ganz vielen Tapas ( Vorspeise-Leckereien) und Vino tinto in einer Hafenkneipe gespeist.

19.10.1998

Montag, 19. Oktober 1998

Montag, 19.10.98 – Der Wetterbericht meldet für heute den Kaltfrontdurchgang des nächsten Tiefdruckgebietes. Und vor der Hafeneinfahrt hängt auch wie versprochen ein Gewitter. Aber es zieht nach Osten ab, das Barometer steigt und im Westen scheint es aufzuklaren. Leinen los, Kurs Mallorca! Leider war das Gewitter nur der Vorbote der eigentlichen Front…
Der Wind frischt auf bis auf über acht Beaufort, der Seegang in der Straße von Menorca steilt sich bis auf gute vier Meter auf und der Geschwindigkeitsrekord steht seit 16.40 h auf 12,5 Knoten. Das ist weit mehr als die theoretische Rumpfgeschwindigkeit und funktioniert auch nur, weil mich die Wellen hinten anheben und ich dann vor dem brechenden Wellenkamm auf der Vorderseite der Woge in Richtung Wellental auf meiner eigenen Bugwelle gleiten bzw. surfen kann. Das Wasser nimmt plötzlich ganz andere Wege an meinem Rumpf entlang als in Verdrängerfahrt und bringt dabei alles zum Vibrieren. Plötzlich summe und brumme ich wie die dicke E-Saite auf Skippers Klampfe. Und das ohne Großsegel und mitten im heftigsten Gewitter.
Aber der Mannschaft sind ja längst Seebeine gewachsen, und deshalb empfinden alle die kurze Legerwallsituation in der schmalen Hafeneinfahrt von Porto Cristo als viel gefährlicher als den Seegang draußen vor der Tür. Ist ja auch so. Segelschiffe gehen an Land kaputt, nicht auf See!

20.10.1998

Dienstag, 20. Oktober 1998

Dienstag, 20.10.98 – Hafentag mit Showprogramm! Immer, wenn eine Charteryacht in den Hafen einläuft, geht die ganze Mannschaft in Hab-Acht-Stellung und schiebt und zieht ein Schiff nach dem anderen an den zugewiesenen Liegeplatz.
Wolfgang verteilt JoJo-Segelschul-Prospekte an die allerüberfordertsten Skipper…
Merke: Wenn man mit einer Segelyacht rückwärts an einem Steg anlegen will, dann muß man da auch rückwärts hinfahren!

21.10.1998

Mittwoch, 21. Oktober 1998

Mittwoch, 21.10.98 – Heute gibt es keine klugen Sprüche, versprochen! Heute gibt es einen total gemütlichen, sonnigen, gammeligen, entspannten, flautigen Buchtenbummeltag. Mallorcas Ostküste ist sehr stark zerklüftet, und alle paar Meilen gibt es eine versteckte „Cala“, so heißen die Buchten hier.
In der Cala Mitjana ankern wir zwischen senkrechten Felswänden. Alternativ könnte man auch eine Leine an Backbord und eine Leine an Steuerbord an den Felsen festmachen, so schmal und fjordartig ist der versteckte Ankerplatz. Dieter S. und Manfred baden richtig, Uschi nur ihre Füße. 21° Wassertemperatur sind halt schon Geschmacksache. Skipper und sein Vater gehen natürlich noch nichtmal in die Nähe des Wassers! Außerdem leider keine Kneipe weit und breit!
Deshalb verholen wir am Nachmittag noch in die Marina „Cala d’Or“. Die heißt übrigens „Goldbucht“, weil die Liegegebühren so hoch sind (DM 90,- für meine Wenigkeit!). Und aus lauter Trotz legt Wolfgang deshalb den Landstromanschluß, obwohl ich den gar nicht brauche. Morgen wird die Butter dann tiefgefroren sein, kalt ist sie ja schon!

22.10.1998

Donnerstag, 22. Oktober 1998

Donnerstag, 22.10.98 – Leider müssen ja noch DM 90,- verduscht werden, deshalb kommen wir erst um 11.30 h aus dem Hafen. Und direkt vor der Hafeneinfahrt setzt die Crew den Spinnaker. Der wird dann um 17.30 h vor der Cala Pi wieder geborgen, denn da wollen wir übernachten.
Sechs herrliche Stunden Raumschots- und Vor-Wind-Kurs bei Sonnenschein und leichter Brise. In der laut Hafenhandbuch „landschaftlich schönsten Bucht der Balearen“ hilft uns ein „Original Don Pedro“ (Zitat Manfred) beim Festmachen an den ausgelegten Ankerbojen und rudert auch noch unsere Achterleinen an die Felswände rüber.
Das geht alles ganz fix und so hat die Mannschaft Zeit für einen gemütlichen Anlegeschluck bei beginnendem Sonnenuntergang. Morgen sind es nur noch wenige Meilen bis Palma de Mallorca, da wird dann aufgeräumt, geputzt, gebunkert und was so alles anfällt. Heute ist also der letzte streßfreie Tag, den werden wir genießen!

24.10.1998

Samstag, 24. Oktober 1998

Samstag, 24.10.98 – Die einen gehen, die anderen kommen: Dana Jelinkova aus Prag, Bernd Griener aus Nürnberg, Hans Schweighöfer aus Anröchte, Renate Benja aus München und Lipso aus Lipso, halb Europa an Bord! Deshalb zaubern Dana und Bernd auch thailändische Fischsuppe als Abendessen. Mit spanischem Fisch, versteht sich. Nur aus Frankreich kommt außer mir niemand!