Von Rom nach Nizza/Cannes

02.08.2006

Mittwoch, 02. August 2006

Mittwoch, 02.08.06 – Schon wieder eine Woche rum, die Zeit rennt. Ich werde noch mal sauber gemacht, Wolfgang erledigt Kleinkram und Formalitäten und Christian fährt zum Flughafen und holt die nächste Crew ab. Und um 18.20 h sind sie dann da, die Hammanns: Muni (Christians Schwester), Viktoria und Johanna (die Nichten) Hammann mit ihrem Freund Tillmann Böhme, alle aus Engers bei Neuwied. Familientörn der etwas anderen Art!
Der Großeinkauf wird routiniert großfamilienmäßig erledigt und macht am meisten Spaß, als es von der Uferpromenade hinunter zur Marina die Rampe bergab geht. Als die Filialleiterin des Supermarktes großzügig die Einkaufswagen für den Provianttransport ausgeliehen hat, da hat sie bestimmt nicht geglaubt, dass Tillmann und Wolfgang damit ein Seifenkistenrennen veranstalten – und unverletzt überleben.

03.08.2006

Donnerstag, 03. August 2006

03.08.2006Donnerstag, 03.08.06 – Wieder Rom, Wolfgang sogar noch vor allen anderen, er hat nämlich schon um 09.35 h einen Termin bei der US-amerikanischen Botschaft. Und um 10.35 h hat er ein Zehn-Jahres-Visum! Super, denn damit steht den USA-Törns im nächsten Jahr nichts mehr im Wege! Die Ausfertigung dauert ein paar Stunden, in der Zwischenzeit findet Wolfgang eine Villa mit Privatführung und stellt fest, dass das mal Mussolinis Stadtwohnung war. Mussolinis Friseursalon existiert auch noch (oder jedenfalls einer aus der Epoche!), und weil da die Preise auch noch von 1943 sind, entschließt sich mein Skipper zum Haarschnitt. Der gelingt dem Maestro aber gut, 65 Jahre Berufserfahrung machen doch was aus.
Die Hammanns machen derweil Rom im Laufschritt, und bis auf den Vatikan schaffen sie auch fast alle highlights! (da es sich bei den Hammanns aber um eine protestantische Pfarrerdynastie handelt und sowohl Till als auch Muni ordiniert sind, fiel die Auswahl, was ausfallen soll, gar nicht so schwer!)
Zurück an Bord lernen Vicki und Johanna noch, wie man auf einem schwankenden Schiff bei viiiiiiel Wind mit viiiiielen Klammern Wäsche auf die Leine hängt, das ist nämlich gar nicht so einfach.

04.08.2006

Freitag, 04. August 2006

Freitag, 04.08.06 – Gestern war ja noch dieses Gewitter, und dann der Sturm danach. Naja, und heute ist zwar der Himmel wieder blau, aber die Welle steht noch. Und zwar über zwei Meter hoch. Die Ausfahrt über die Barre vor der Marinaeinfahrt treibt meinem redseligen Skipper doch mal kurz das Scherzen aus, ist ja auch eher selten, dass ich durch eineinhalb Meter Brandung muss, während an beiden Seiten meines Rumpfes die Steine der Molen drohen. Klappt aber gut. Und rein auch wieder, denn an ein Vorwärtskommen nach Norden ist bei dem Seegang gar nicht zu denken. Und nach einer knappen Stunde drehen wir deshalb um. Wieder am Liegeplatz sind die beiden Fälle maritimer Unpässlichkeit schnell vergessen, die Wellen sind nicht mehr bedrohlich, sondern nur noch ein tolles Abenteuer vergangener Zeiten, auch wenn die gerade mal ein paar Minuten her sind…
Und nach kurzer Pause sind tatsächlich alle wieder fit für einen letzten Ausflug nach Rom, Piazza Navona bei Nacht, das fehlte ja noch im Programm!

05.08.2006

Samstag, 05. August 2006

Samstag, 05.08.06 – Über Nacht hat sich der Seegang wieder beruhigt, nach dem Frühstück begrüßt uns ein freundliches Thyrrenisches Meer vor der Hafenmole. Und bis um 14.30 ist es einfach nur ein gemütlicher Segeltag. Aber weil am Nachmittag aufbrist, soll die Fock gewechselt werden – und schon in der Vorbereitungsphase weht es Till den funkelnagelneuen Hut vom Kopf. „Hut-über-Bord-Manöver! Christian an den Bootshaken! Schoten dicht lassen! Ruder hart steuerbord! Fock bleibt back, wir drehen bei!!” Beidrehen ist so was wie parken unter Segeln, und Christian schafft es auch auf Anhieb, den Hut zu fischen. Allerdings hängt die Angelleine mit am Haken, weshalb der Hut beim Versuch, selbige abzuschütteln, ein zweites Bad nimmt. „Hut-über-Bord-Manöver! Christian bleibt am Bootshaken, Johanna behält den Hut im Auge, Schoten dicht lassen, wir fahren noch einen Kringel!” Und es klappt wieder, allerdings muss die Angelleine gekappt werden, macht nichts. Bis nach Riva de Traiano sind alle mit der Verarbeitung des Abenteuers beschäftigt, in der unspektakulären Marina 30 Meilen nördlich von Rom findet sich ein Liegeplatz, an den uns geschickte Marineros mit dem Schlauchboot bugsieren und sogar noch die Achterleinen festmachen.

06.08.2006

Sonntag, 06. August 2006

Sonntag, 06.08.06 – Leider sind die Häfen an diesem Küstenabschnitt recht rar, 40 Meilen sind es bis zur Isola di Giannutri, und deshalb gibt es das Sonntagsfrühstücksei schon wirklich früh. Johanna fährt das erste Ablegemanöver ihres Lebens, danach Kurs Nordwest. Die etwas längere Strecke lohnt sich aber, die Insel hat an der Ostseite eine tolle Ankerbucht, klares Wasser zum Baden, kaum Tourismus, aber viel Ruhe und Beschaulichkeit, die durch den schönen Gitarrenabend hier an Bord nicht wirklich gestört wird: Leider gibt es für die vier Gitarrenspieler nämlich nur mein einsames Bordinstrument, sonst wäre es natürlich ein etwas lauteres Konzert geworden.

07.08.2006

Montag, 07. August 2006

Montag, 07.08.06 – Leider sind die Häfen an diesem Küstenabschnitt recht rar, 45 Meilen sind es bis nach Elba…
Der Wind passt aber gut, und so fällt um 19.00 h im Golfo della Lacona an der Südseite der Insel mein Anker. Higgins, immer noch mein Beiboot, wird zu Wasser gelassen, denn am Ufer gibt es einen Campingplatz mit angeschlossenem Restaurant, praktisch, lecker. Zeit für einen Bummel über die Promenade und danach am Strand entlang zurück bleibt auch noch. Und für eine Runde Amnesia, das ist das Spiel, bei dem jeder von seinem Nachbarn einen prominenten Namen auf einem Stück Klebeband auf die Stirn gepappt bekommt und dann erraten darf, wer er ist. So sitzen Yoko Ono, Jupiter, der Papst, John F. Kennedy und Alice Schwarzer hier in lustiger Runde im Cockpit.

08.08.2006

Dienstag, 08. August 2006

Dienstag, 08.08.06 – Christian und Wolfgang besorgen in einer Spritztour frisches Brot vom Supermarkt. Spritztour heißt das ja immer dann, wenn die morgendliche Brise so viel Wellen macht, das die Brötchenholer beim Dinghifahren einen nassen Hintern bekommen…
Elba hat an allen Seiten Buchten und Häfen, und bis zum nächsten sind es nur neun Meilen. Das wird also heute ein fauler Tag! Die Strecke wird in der Mittagshitze zurückgelegt und schon am frühen Nachmittag spaziert meine Crew durch die Gassen von Porto Azzurro. Bilderbuchitalien: eine alte Festung, schmale Gassen, eine breite Promenade zum Flanieren – und das alles in einer schönen, grünen Bucht, die nur nach Osten offen ist.
Und genau daher kommen am Abend die Sturmböen aus einem Gewitter. Und machen Seegang. Auf einigen der umliegenden Boote bricht Chaos aus, ein gutes Dutzend Yachten driftet durch die Gegend, und nicht auf allen ist die Besatzung an Bord. Einmal wird es auch bei mir knapp, eine 13-Meter-Yacht treibt herrenlos nur wenige Meter an meinem Heck vorbei. Die Franzosen vor uns versuchen, sich in den kleinen Hafen zu flüchten, da ist alles überfüllt, mitten in den Böen ankern die beiden wieder am alten Platz, wo sie gleich hätten bleiben können. Eine schöne, alte amerikanische Yacht hat einen offensichtlich viel zu kleinen Anker und fährt Manöver um Manöver, und hinter uns sind drei Yachten zu einem Pulk zusammengetrieben. Und auf der Yacht vor uns feiert die Crew unbeschwert eine kleine Sturmparty, so dass fröhliches Gelächter bis hierher schallt. Das steckt an, und als klar ist, dass mein Anker prima hält und alle potenziellen Kontrahenten schon achteraus vertrieben sind, da wird auch hier an Bord die Stimmung gelöst. Nach, jawohl, leider erst nach dem Gewitter kommt die Küstenwache mit einem starken Motorboot vorbei und schaut nach, ob es noch was zu retten gibt. Na denn, gute Nacht! (Die wird wirklich noch gut, so gegen Mitternacht ist der ganze Spuk vorbei, mein Echolotalarm ist vorsichtshalber aktiviert, aber es bleibt ruhig.)

09.08.2006

Mittwoch, 09. August 2006

09.08.2006Mittwoch, 09.08.06 – Vicki fährt das Anker-auf-Manöver, es geht wieder nur ein paar Meilen weiter, aber die haben es in sich! „Es” ist in diesem Fall ein 56 cm langer Bonito, Christian und Till haben tatsächlich Angelglück! Große Aufregung, Fototermin, Limoncello (Zitronenlikör) hinter die Kiemen, Muni singt „Schnaps, das war sein letztes Wort!”, und nach einer kurzen Verwandlung meines Cockpits in ein Schlachthaus liegen vier schöne Filets in der Schüssel.
In Portoferraio ist mitten in der Saison nicht an einen Liegeplatz zu kommen, aber die Ankerbucht westlich vom Hafen bietet guten Schutz gegen alle Winde – und mit dem Fisch in der Pfanne bin ich ja sowieso mal wieder das beste Restaurant am Platze!
Christian zaubert noch einen Reissalat, Pellkartoffeln und eine pikante Sauce, die Filets brutzelt er auf den Punkt außen kross und innen zart und saftig, und zum Nachtisch gibt es ein Eis in der Altstadt, mit dem Beiboot sind es ja nur ein paar hundert Meter zum nächsten Anlegeplatz.

10.08.2006

Donnerstag, 10. August 2006

10.08.2006Donnerstag, 10.08.06 – Gestern hatte der Hafenmeister uns ja noch gesagt, dass heute vielleicht ein Platz im Innenhafen frei wird. Aber die Hafenrundfahrt bleibt erfolglos, alles reserviert. Selbst das Wasserbunkern wird ein Problem, weil sich die Marina neben dem Fährhafen weigert, mich für ein paar Minuten an einen der tagsüber freien Liegplätze zu lassen, das hatten wir bisher noch nie. Wolfgang erwägt Klage beim Europäischen Gerichtshof einzureichen oder Wasser zu klauen. Die zweite Variante erscheint die schnellere zu sein, wir legen einfach in einem abgelegenen Teil der Marina an, meine Wassertanks werden aufgefüllt, zur Strafe wird auch noch mein Deck abgespült und dann geht es zurück an den alten Ankerplatz.
Napoleon scheint man während seiner Verbannung hier besser behandelt zu haben, seine Villa ist heute ein Museum, außerdem gibt es ein schönes Theater aus der Zeit, eine riesige Festung außen um die Altstadt herum, ein Fünfmaster komplettiert die Kulisse – Hafentag mit Stadtbummel!

11.08.2006

Freitag, 11. August 2006

Freitag, 11.08.06 – Schon zum Frühstück beißt ein Fisch an der Angel! Aber mit gerade mal sieben Zentimetern ist er kaum größer als der Köder und wird zum Weiterwachsen wieder den Fluten übergeben. So’n Frechdachs. Vormittags grummeln noch ein paar Gewitter über dem Golf von Genua, aber kaum zeigt mein Bug nach Westen, da klart der Himmel auf: Herrliches Segelwetter für die 40 Meilen bis nach Korsika. Erst direkt vor dem Hafeneinfahrt von Macinaggio, drei Meilen südlich vom Kap Corse, der Nordspitze der Insel, brist es auf über sieben Windstärken auf. Die Marina ist voll, und auf dem Ankerplatz vor der Einfahrt bricht schon Chaos aus. Mein Anker hält beim ersten Versuch nicht, es gibt nur eine dünne Sandschicht auf Felsplatten, da geht nix. Beim zweiten Versuch klappt es besser, aber so richtig glücklich ist der Skipper nicht. Nach einer knappen Stunde ist es so weit: Ich verlasse eigenmächtig die Bucht. Manchmal muss ich eben Entscheidungen fällen, zu denen sich Wolfgang nicht so richtig durchringen kann. Nur zwei Meilen weiter südlich ist einen weitere Ankerbucht, hier fallen die Böen bei weitem nicht so hart ein, der Grund ist fester Sand, um 19.15 h ist alles prima, die Nacht kann kommen.

12.08.2006

Samstag, 12. August 2006

Samstag, 12.08.06 – Nicht nur die Windstärke, sondern auch die Windrichtung laden nicht zum Weitersegeln ein: Acht Beaufort Nordwest, Mistral aus dem Rhonetal. Buchtbummeltag, Schuhkorbmontage, Dhingifahrunterricht, lecker kochen…

13.08.2006

Sonntag, 13. August 2006

Sonntag, 13.08.06 – Bis an die französische Küste sind es 91 Meilen, das heißt Nachtfahrt. Allerdings dürfen wir erst mittags starten, um nicht zu früh anzukommen. Nach gemütlichem Frühstück wird die kleine Fock angeschlagen, am Kap brist es auf, das Großsegel bekommt das erste Reff, der Wind hat so weit auf Südwest gedreht, dass der Kurs an die Cote d’Azur gehalten werden kann, Till hat Spaß am Steuerrad, die Reise beginnt gut. Leider legt der Wind wieder zu… und damit auch der Seegang. Um 15.00 h wird das zweite Reff in das Großsegel gebunden, und um 18.00 h das dritte. Auch die fröhlichen Delfine, die zu Besuch kommen, können nicht darüber hinweg täuschen, dass ganz schön raues Wetter ist. Die Gischt sprüht bis an die erste Saling (also bis fast auf halbe Masthöhe), die Wellen erreichen drei Meter Höhe, der Windmesser geht auf acht Bft, aber Segeln ist ja nun mal ein Wassersport. Vicki und Johanna verkrümeln sich in ihre Kabinen und versuchen zu schlafen, Muni, Till und Wolfgang übernehmen die erste Hälfte der Nacht. Die ist eigentlich wunderschön, mit vielen Sternschnuppen, irgendwann geht der abnehmende Mond auf, die Lichter der Küste locken schon am Horizont, aber so drei, vier oder auch fünf Windstärken weniger, dass wäre auch nett…

14.08.2006

Montag, 14. August 2006

Montag, 14.08.06 – Um 01.00 h ist der Wind schlagartig weg. Und um 03.00 h ist er schlagartig wieder in voller Stärke da, leider aus West, weshalb der Kurs in Richtung Riviera geändert werden muss. Um 06.00 h ist wieder Flaute, Kurs wieder Cote d’Azur. Ein einzelner Delfin wünscht Christian, der seit ein paar Stunden die Wache übernommen hat, einen guten Morgen. Um 08.00 h bläst der Wind wieder, aber Monaco liegt nur noch 10 Meilen voraus, Wolfgang erklärt per Telefon, dass ein Liegeplatz im Yachthafen nach dieser Nacht wirklich nett wäre, und ausgerechnet im noblen Monaco, wo ich niemals mit einem freien Liegeplatz gerechnet hätte, finden die Marineros ein geniales Plätzchen im Port de Fontvielle, senkrecht unter dem Meereskundemuseum, für mich. Die Einfahrt in den Hafen ist noch mal eklig, weil der Seegang von der Steilküste reflektiert wird und sich zudem zu Grundseen aufsteilt, aber Wolfgang passt eine Lücke ab – und schlagartig kehren Ruhe und Frieden ein. Unter der Steilküste ist völlige Flaute, aber der Hafenmeister weiß, was draußen los ist und meine Crew erntet ein paar bewundernde Blicke!
Nach warmer Dusche und leckerem Mittagessen ist quasi mit dem Nachtisch auch schon das Abenteuer „Nachtfahrt im Sturm” gegessen.
Nächste Abenteuer: Altstadtbummel, Ferraris und Rolls Royces zählen, Promis suchen (erfolglos), Megayachten anschauen (ausnahmslos klotzig-hässlich), Fotos auf der Rennstrecke machen und Klettern im Akrobatikparcours am Hafen. Christian wird Held des Tages, weil er trotz leichter Höhenangst in 10 m Höhe auf wackeligen Drahtseilen umherklettert!

15.08.2006

Dienstag, 15. August 2006

Dienstag, 15.08.06 – In leichter Panik werden die letzen 52 Postkarten geschrieben, die Marken gelten ja in Frankreich nicht! Um 11.59 h (Ziel war, vormittags abzulegen…) stecke ich meinen Bug dann wieder ins Mittelmeer. Die Marinagebühr war nur 42 Euro, das macht 7 Euro pro Person, damit war ich sicherlich die mit Abstand günstigste Übernachtungsmöglichkeit mitten in Monaco!
Leichter Südwind zieht mich elf Meilen weiter bis an den Flughafen von Nizza. Direkt daneben liegt St. Laurent de Var mit einer großen Marina; dort polieren mich die Hammanns auf Hochglanz (Danke!!!) und dann ist der Rom-Nizza-Törn vorbei. 297 Meilen voller ganz neuer Erfahrungen für die vier Erstsegler: Flaute, Sturm, Badebuchten, drei Länder, viele nette Städtchen, Angelleine im Propeller, Fisch gefangen -Leben an Bord. Ich glaube, die habe ich prima mit dem Bazillus Nauticus infiziert, die kommen alle wieder. Ich würde mich freuen, und Wolfgang auch!