Samstag, 27.07.02 – Wie beschreibt man etwas Unbeschreibliches?
Einmal im Jahr – und zufälligerweise heute- veranstaltet das Dorf einen „Unterstützungstag“, zu dem die wohlhabenderen Festlandsverwandten eingeladen werden, die mit Geldspenden die Entwicklung des Dorfes fördern sollen. Und zu diesem Feiertag sind die Yachties ebenfalls eingeladen. Und so kommen Marc und Wolfgang und Sabine und Christian und Sandra und Steffen als Gäste zu einer traditionellen Kava-Zeremonie. Und das hat zugegebenerweise nichts mit dem zu tun, was sonst für die Segler veranstaltet wird. Fotografieren verboten, die Kinder werden zum Fußballspielen an den Strand geschickt, denn ein Niesen zur falschen Zeit könnte die guten Geister vertreiben. Die Uhren werden 200 Jahre zurückgestellt, im Gemeindehaus sitzen die palmblattgeschmückten Männer des Dorfes an der einen Stirnseite, die Yachties an der einen Längsseite an der Wand, die höhergestellten Frauen an der anderen Längsseite und die Ehrengäste auf Stapeln frischgewebter Bastmatten an der zweiten Stirnseite. Wobei schon der Einzug der Ehrengäste eine Zeremonie für sich ist, die Männer singen mehrstimmig und aus voller Kehle, jeder Schritt und jeder Sitzplatz ist genau bestimmt. Riesige Yamswurzeln und weitere Stapel von Bastmatten werden als Geschenk gereicht, dann wird die große Kawa-Schüssel aufgestellt und Kawa ganz nach alter Väter Sitte durch Rindenbast gewrungen. Dazu rhytmisches Händeklatschen, der ganz in Tapa (bedruckten Pandanusfilz) gehüllte und schwarz geschminkte Zeremonienmeister reicht dann die erste Schale an den Oberehrengast (ohne ihn anzuschauen, denn das wäre wohl eine Beleidigung!?), Reden werden geschwungen, komplizierte Förmlichkeiten ausgetauscht, zwei Stunden lang Jahrhunderte altes Hofzeremoniell! Man müsste Fijianisch verstehen, das ist das einzige, was wirklich schade ist.
Danach werden draußen die Spenden eingesammelt und auch gleich bekanntgegeben, mit 10 Fiji-Dollar (fünf Euro) pro Person bekommen meine Jungs ordentlichen Beifall vom Dorf und dürfen an der normalen Kava-Zeremonie teilnehmen, für die sich alle wieder in den zivilen Sonntagsstaat gehüllt haben. Marc und Wolfgang tragen übrigens beide klassische Südsee-Herrenröcke, was den Einheimischen gut gefällt. So eine „normale“ Kava-Zeremonie ist ja schon Abenteuer genug! Einmal vor dem Trinken klatschen, mit beiden Händen das „Bilo“ halten, in einem Zug trinken, danach dreimal klatschen und „Vinaka“ sagen….
Weiter geht es mit dem Mittagsessen. Ein Schwein und Unmengen Papageienfische werden aus dem Erdofen geholt und auf der langen Tafel (so muss man die Matten auf dem Gemeindehausfußboden nunmal bezeichnen, denn es ist eine reichlich gedeckte Festtafel!) serviert. Dazu Kassawa, Süßkartoffeln, Yams und Suppe. Die Spannung des formalen Teils ist wie weggeblasen, alles schwatzt munter durcheinander, und über den ein oder anderen auf einem Daumennagel zwischengeparkten Kaugummi darf man sich nicht wundern. Auch nicht bei sechzigjährigen Damen. Und was noch so alles mittendrin und zwischendurch passiert, das lässt sich ja gar nicht alles hier wiedergeben. Alle Segler lassen den Tag ganz in Ruhe an Bord ausklingen, auch Eindrücke müssen ja verdaut werden!