Freitag, 06.06.08 – Monika bleibt zwar noch für ein paar Monate an Bord, zieht für die nächsten Tage aber in ein Galateia-Basislager an Land, sie hat einen kleinen Bungalow gemietet. Da kann Wolfgang dann auch mal ausgiebig warm duschen.
Am Flughafen mischen sich Abschiedskummer und Wiedersehensfreude, denn Gabi muss in den gleichen Flieger einsteigen, mit dem Wolfgangs Freund Christian ankommt. Während Christian sich also freut, verdrückt Gabi ein paar Tränen, was euch daheim wahrscheinlich dann schon zu der Frage führt: „Warum ist sie nicht froh, nach vier Wochen auf einem kleinen Schiffchen endlich wieder in ein geregeltes Leben zurückzukehren?” Weshalb ist die erfolgreiche Chefin eines kleinen Familienbetriebes so traurig, bis zum nächsten Törn von Bord zu gehen? Was ist die Faszination des Langstreckensegelns? Was sagt man der Familie und den Freunden daheim, wenn gefragt wird: „Was habt ihr den ganzen Tag lang gemacht?” Gesteuert, Segel gewechselt, gekocht, navigiert, ein wenig gelesen. Aber das ist alles nicht die Quintessenz. Aus meinem Cockpit ist der Horizont drei Meilen weit entfernt. Ich bin zwölf Meter lang. Das ist die kleine Welt, in der sich meine Mannschaft befindet, der Rest sind unendliche Weite (Sterne) und unglaubliche Tiefe (zum Meeresboden). Der Lebensraum ist also einerseits absolut überschaubar und in seiner Abgeschiedenheit auch schnell als unveränderbar akzeptiert: Niemand muss am Morgen zur Arbeit, es wird bis auf kleine Wetteränderungen keine Einflüsse von außen auf das Leben geben, niemand wird am Abend ausgehen oder Freunde einladen. Fünf Menschlein, zwölf Meter Schiff, drei Meilen Sichtradius, ganz einfach. Andererseits ist da aber diese unendliche Weite. Die längste aller möglichen Segelstrecken. Die Demonstration der eigenen Winzigkeit. Die Leere. In der Dunkelheit hinter meinem Steuerrad stehen, warten bis die Welle mein Heck etwas anhebt, etwas Gegenruder legen und dann weiter hinter Sirius her, der uns in der ersten Nachthälfte den Weg nach Westen weist. Die Tagesroutine ist abgehakt, die Zeit für die großen Gedanken ist gekommen. Eine Stunde lang mit gar nichts außer sich selbst beschäftigt zu sein. Sich selbst genießen. Nicht der millionste Teil der großen Stadt, sondern das unverzichtbare Fünftel einer winzigen, aber starken Gemeinschaft sein. Die vier anderen, die unten schlafen, sicher durch die eigene Wache segeln. Stolz auf den Logbucheintrag sein: „Wachwechsel Gabi an Florian, Wind ENE 3 Beaufort, Seegang drei, Position ein paar Meilen weiter als am Anfang der Wache.” Teilhaben an der Größe dieses Ozeans: Was für eine Erfahrung.
Da fällt mir ein, Wolfgang und ich suchen noch Erfahrungshungrige für den Törn von Fiji nach Neuseeland