Von Auckland nach Auckland – Februar 2003

19.02.2003

Mittwoch, 19. Februar 2003

Mittwoch, 19.02.03 – Connie muss zum Flieger. Schade, war eine tolle Zeit mit Dir! Gute Reise – und hoffentlich bis nächstes Jahr!
Zum Trauern bleibt aber nicht viel Zeit, denn kaum kommt Wolfgang mit der Wäsche aus dem Serviceblock in der Marina, da steht Roland Rollinger und wenig später auch Michael Heckl mit dem Seesack auf der Badeplattform. Die beiden sind Skipper-Kollegen von Wolfgang, der kommende Törn läuft also mal wieder nach dem Motto: „Lauter Kapitäne, keine Matrosen!“ (Viele Grüße an Hermann und Harald!) Uschi, die noch zwei Wochen an Bord bleibt, ist demnach das bestumsorgte Crewmitglied der südlichen Hemisphäre!
Der Abend wird natürlich uralte Geschichten aufwärmend und frischeste Austern schlürfend in der nächsten Kneipe verbracht!
(An Janine, Michis Freundin: Uschi, Wolfgang und Roland bedauern es aufrichtig, das Michael die ersten Austern seines Lebens so gut geschmeckt haben, das er zurück in München leider die Haushaltskasse und seine Gesundheit ruinieren wird, denn weder sind die Austern dort so billig, noch so frisch wie hier! Aber einmal auf den Geschmack gekommen…)

20.02.2003

Donnerstag, 20. Februar 2003

Donnerstag, 20.02.03 – Um 10.00 h verlassen die Cupper ihre Liegeplätze und werden von ihren Fans lautstark verabschiedet. Michi outet sich als Alinghi-Fan und muss deshalb übrigens für den Rest der Reise im Beiboot schlafen! Die Hafenmolen sind rappelvoll mit Fähnchen schwenkenden, pfeifenden, trötenden, „ihr“ Team irgendwie anfeuernden Menschen, ungefähr so wie beim DFB-Pokal Endspiel, nur dass das Fußballstadion einen ziemlich hoch überfluteten Rasen hat! Obwohl heute ja kein Wochenende ist haben sich natürlich wieder ein paar tausend Zuschauerboote eingefunden – und ich natürlich wieder mitten drin, ist schon irre!
Die ganze gute Stimmung bekommt allerdings um 15.15 h einen Dämpfer, da wird das Rennen nämlich wegen zu unstetigen Windes für heute abgesagt. Schade, hier an Bord werden trotzdem die Segel gesetzt, mir ist es ja egal, ob der Wind böig ist oder nicht, Hauptsache, es weht überhaupt welcher!
Zurück am Liegeplatz ist auf der gegenüberliegenden Motoryacht gerade eine nette Party im Gange, weil Team Neuseeland heute ja immerhin nicht verloren hat. Wolfgang zeigt mit dem Zeigefinger auf Michi und sagt nur „Alinghi-Fan“, worauf ihm die Neuseeländer mal eben ein paar nette Foltermethoden erklären…
Auch in der Stadt ist die Stimmung prima, Party bis nach Mitternacht!

21.02.2003

Freitag, 21. Februar 2003

Freitag, 21.02.03 – Die Gehirnwäsche hat gewirkt, beim morgendlichen Stadtbummel legen sich sowohl Roland als auch Michael Klamotten von beiden (!) Syndikaten zu, jetzt laufen die beiden hier an Bord mit Alinghi-Mütze zu Team-NZ-Polo-Shirt bzw. andersrum rum!
Ein Regattalauf findet heute nicht statt, nur an Tagen mit D(ienstag) oder S am Anfang! Schade, der Wind ist nämlich prima, nur unter Fock rauschen wir am Nachmittag aus dem Hafen bis zum Ankerplatz hinter Aucklands kleinem Hausvulkan, dem Rangitoto.

22.02.2003

Samstag, 22. Februar 2003

Samstag, 22.02.03 – Um 10.15 h wird der Anker aus dem Grund gehievt, danach Kurs Arena. Wo in freudiger Erwartung wieder reichlich Boote auf Wind warten und hoffen, was aber alles nichts nützt, und schon um 12.00 h wird das Rennen abgesagt. Uns macht es mal wieder nichts aus, dass der Wind ein wenig unstet ist, unter Groß und Fock kreuzen wir langsam gen Norden, werden dabei nur von dem riesigen Kreuzfahrtappartmentdampfer „The World“ überholt. Die meisten anderen Schiffe sind wohl wieder in Richtung Auckland unterwegs. Nur ein knappes Dutzend Yachten hatte die gleiche Idee wie meine Crew, deshalb sind wir am Ankerplatz hinter Tiritiri Matangi nicht ganz alleine, aber das macht ja nichts. Uschi, Roland und Wolfgang bummeln noch zum Leuchtturm hinauf und bewundern dabei all die bunten Vögel, die hier zu Hause sind! Wolfgang und Roland schlagen sich ein paar Austern von den Felsen, der Takahe am Strand lässt sich hinter den Ohren kraulen und zum Abschluss des Spaziergangs „fliegt“ ein Rochen unter dem Beiboot hindurch, so hat der Tag auch noch seine Höhepunkte.

23.02.2003

Sonntag, 23. Februar 2003

Sonntag, 23.02.03 – Sonntags gibt es hier an Bord ja immer ein Galafrühstück, damit der Skipper wenigstens einmal pro Woche weiß, welcher Wochentag ist!
Der Rest des Tages ist leider weniger erfreulich, eigentlich gibt es nur zwei interessante Logbucheinträge: 14.00 h, Dümpeldümpel; und 16.00 h, Rennen wegen Flaute abgesagt. Uns macht es wiederum mal wieder nichts aus, dass der Wind ein wenig unstet ist, unter Groß und Fock segeln wir noch bis nach Waiheke in die Matiatia Bay, wo unter Neuseelands schönsten Villen ein schöner Ankerplatz für mich ist. Die Mannschaft geht zum Abendessen hoch ins Dorf, Uschi hat sich Pizza in der Öko-Kneipe „Lazy Lounge“ gewünscht, und da sich dort ein Pool-Billiard befindet lassen sich die drei Kapitäne überreden! Wolfgang demonstriert ein wenig Kunst-Billiard, denn die schwarze Acht zweimal hintereinander zusammen mit der weißen Kugel im falschen Loch zu versenken, das ist schon eine Kunst…

24.02.2003

Montag, 24. Februar 2003

Montag, 24.02.03 – Wegen Totaler Flaute gehen die America’s Cupper erst gar nicht raus. Und tatsächlich, selbst für mich reicht der Wind nicht zum Segeln. Plan B: Unter Maschine geht es hinein nach Auckland, erst für eine kleine Hafenrundfahrt an den Syndikatsbasen entlang in den Innenhafen und dann weiter in die Westhaven Marina. Michi und Roland haben die „olle Kanne“ (also den America’s Cup an sich, die häßlichste, teuerste Trophäe der Welt..) im Yachtclub ja noch nicht gesehen. In der Innenstadt sind auch noch reichlich Sehenswürdigkeiten, zum Anfang mal auf den Fernsehturm, wegen des Überblicks.

25.02.2003

Dienstag, 25. Februar 2003

Dienstag, 25.02.03 – Weiter mit Plan B, denn heute wird das Rennen nach all den Flautentagen wegen Sturmwarnung abgesagt! Ich werde kurz auf die andere Hafenseite in die Bayswater Marina verholt, weil in Westhaven kein Platz ist. Uschi passt für die drei angekündigten Sturmtage auf mich auf und die Jungs schwingen sich in einen Leihwagen, laden einen Tramper (Thomas aus Berlin!) ein und fahren nach Waitomo, mal nachschauen, ob die Sterne tagsüber immer noch in den dortigen Höhlen schlafen!

26.02.2003

Mittwoch, 26. Februar 2003

Mittwoch, 26.02.03 – Der Höhlenführer beim Blackwater Rafting (mit Neopren-Anzug, Autoreifenschlauch und Grubenlampe einen unterirdischen Flusslauf entlang!) behauptet, dass die romantischen Leuchtpunkte an der Höhlendecke streichholzgroße Maden sind, die sich in Rotz und Schnötte hüllen, ihre Eltern fressen und deren Schei… leuchtet. Ich finde Wolfgangs Erklärung mit den schlafenden Sternen deutlich glaubwürdiger! Das Blackwater Rafting ein Heidenspass ist erklärt sich ja wohl von selbst…
Plan B geht danach weiter mit den Geysiren und der Maori-Show in Roturua!

27.02.2003

Donnerstag, 27. Februar 2003

Donnerstag, 27.02.03 – Vormittags bewundern die drei Ausflügler noch die kitschig-bunte Thermal-Geysir-Landschaft und den Waschpulver-Geysir in Wai-o-Tapu, danach ist Plan B beendet und die drei trudeln wieder hier an Bord ein, wo sich Uschi vor lauter Regen erkältet hat. Gute Besserung!

28.02.2003

Freitag, 28. Februar 2003

Freitag, 28.02.03 – In strömendem Regen und bei Schauerböen legen wir in Richtung „Arena“ ab. Kleine Boote sollen laut Hafenmeisteranweisung nicht auslaufen. Und zerbrechliche sollten es besser auch nicht wagen, dass beweist wenig später jedenfalls der Mastbruch beim Team Neuseeland. Plötzlich nur noch ein Mast auf der Regattastrecke. 0 zu 4 für Alinghi. Stimmung auf dem Nullpunkt. Keine weiteren Kommentare, die Bilder werden ja wohl auch in Deutschland durch die Presse gegangen sein. Um den verkorksten Tag (nichtmal die Alinghi-Fans können sich so richtig freuen!) abzurunden, legen mich meine drei Kapitäne „über Bande“ (also mit Anecken…) an meinen Liegeplatz in der Gulf Harbour Marina. Wenigstens das wunderbare Abendessen tröstet über den größten Frust hinweg.

01.03.2003

Samstag, 01. März 2003

01.03.2003

Samstag, 01.03.03 – Nach kollegialer Ablegehilfe für die „Freiheit“, die vom Wind auf den Steg gedrückt wird, geht es wieder in Richtung Regattastrecke. Fast blauer Himmel, leichte Brise, und ich darf mit Stolz vermelden, dass ich um 15.05 h Bordgespräch auf der „Team New Zealand“ bin! Die Kiwis drehen nämlich eine Runde durch die Zuschauerboote und fangen damit genau bei meinem Bug an. Und dann entdecken die bruchgeplagten Jungs meine Muscheltröte, die Wolfgang natürlich kräftig bläst. Und das findet das Team um Dean Barker dann so lustig, dass sie alle hier herüberwinken! Und weil dann trotz Rennabbruch (ist ja auch eine Form von Bruch irgendwie…) noch mein „Warsteiner“-Blister gesetzt wird und weil die Sonne scheint und weil der Ankerplatz am Abend hinter dem Rangitoto so schön ist und weil Michi mal wieder schwimmen gehen kann und weil es Kartoffelauflauf gibt – deshalb ist es doch noch ein richtig schöner Tag geworden!

02.03.2003

Sonntag, 02. März 2003

Sonntag, 02.03.03 – Bei stetigem Nordost bricht beim Team Neuseeland heute „nur“ der Spinnakerbaum, aber auch ohne diese Panne haben die Jungs in schwarz nicht wirklich eine Chance gegen das Alinghi-Team. Logbucheintrag um 15.30 h: „Schluss mit lustig…5 : 0 für Alinghi“
Ich persönlich kann mich ja wenigstens damit trösten das der Cup das nächste Mal in Europa stattfindet – da will ich dann wieder in erster Reihe dabei sein! So wie heute, zum Regattaende manövriert mich Wolfgang bis an die Ziellinie, mitten hinein in das dichte Gewühl aus Pressebooten, Polizeipatrouillen, Hafenmeisterbarkassen, Schieds-, Linien- und Bojenrichterflitzern, Kuhglocken und Hubschraubern. Ein riesiges, schwimmendes, überschäumendes Stadion. Obwohl die Heimmannschaft nicht gewonnen hat…
Meine Mannschaft beschließt, wegen der zu erwartenden Trauerstimmung in Auckland nicht in die Westhaven-Marina zu fahren, sondern lieber in der etwas weiter außen im Hauraki-Golf liegenden Pine-Harbour-Marina eine gemütliche Kneipe aufzusuchen und dort anhand der Fernsehaufzeichnungen fachsimpelnd, besserwissend und Trostbier schlürfend den Abend zu verbringen. Leider liegt die Marina so weit außen im Golf, dass der Wirt um 21.00 h den Zapfhahn nach oben dreht. Der Kellner erbarmt sich aber dann meiner Crew und packt alle vier in sein Auto – und in wilder Fahrt geht es auf dem Landweg doch noch nach Auckland. Was wegen Blödsinnigkeit eigentlich hätte verschwiegen werden sollen, wenn, ja wenn nicht plötzlich so gegen Mitternacht im „Loaded Hog“ (die Segler-Kneipe am Cupper-Hafen) die „Loyal“-Hymne gespielt worden wäre, weil das komplette Team New Zealand hereinspaziert kommt! Und deshalb darf sich meine Mannschaft jetzt rühmen, Tom Schnackenberg (dem sympathischen, kleinen Syndikatschef) trotz Niederlage gratuliert und mit Dean Barker (dem Skipper) ein Bier getrunken zu haben!
Anstatt „Schluss mit lustig“ also eher „Jetzt geht die Party richtig los!“ – denn nach dem Rennen ist ja bekannterweise immer nur vor dem Rennen!!!

03.03.2003

Montag, 03. März 2003

Montag, 03.03.03 – Leicht verkatert muss mich meine Mannschaft schon um 09.30 h an einen anderen Liegeplatz verholen, weil der eigentliche Liegeplatzeigner nichts besseres zu tun hat, als zu dieser unmöglichen Tageszeit hier aufzukreuzen. Das er überhaupt Menschen hier an Bord vorfindet, ist übrigens einer navigatorischen Glanzleistung meines Skippers zu verdanken, der es heute morgen um 02.30 h (!) geschafft hat, für den Taxifahrer die Landkarte (!) zu lesen.
Nach dem Frühstück zieht eine frische Brise uns nach Norden. Halber Wind, Zeit zu träumen und ganz in Ruhe die letzten Wochen Revue passieren zu lassen: Die wunderbaren Momente an der „Arena“, die Großartigkeit der Szenerie, die Spannung und natürlich auch die Enttäuschung, das Warten auf mehr Wind, das Warten auf weniger Wind, die Faszination des Segelns in all ihren Varianten!
Am Ankerplatz in der schon vertrauten Mansion-House-Bay auf Kawau gibt es Kontrastprogramm: In der Dämmerung kommen die Wallabies aus ihren Verstecken auf die Wiese, und zum ersten Mal ist ein Muttertier erkennbar, das ein Junges im Beutel hat. Der Winzling kann praktischerweise immer dann selber Blümchen pflücken, wenn sich die Mutter auch zum Grasen vorbeugt – prima Erfindung, so ein Bauchbeutel!

04.03.2003

Dienstag, 04. März 2003

Dienstag, 04.03.03 – Noch ein schöner Segeltag zum Törnabschluss, gute dreißig Meilen bei kühlem, klaren, ablandigen Südwest. Und dann liege ich wieder in der Westhaven Marina. Martin und Laura, zwei Seglerfreunde von uns, gesellen sich zum Abschiedsessen dazu, denn so ganz langsam heißt es ja Abschied nehmen, nicht nur von Michi, der morgen nach Deutschland fliegt, sondern auch von Auckland, der „City of sails“ mit all ihren Freunden!