Von Trabzon nach Odessa

30.06.2005

Donnerstag, 30. Juni 2005

Donnerstag, 30.06.05 – Großer Autoausflug zum Kloster Sumela. Das ist ein von Menschenhand geschaffener, steinerner Adlerhorst, dessen Anblick… kommt euch bekannt vor? Mir auch, aber das liegt daran, das die neue Crew natürlich den gleichen Ausflug wie die alte Crew macht! Dieter spielt Chauffeur und Fremdenführer und verbessert den Ausflug dahingehend, dass das Mittagessen in der urigen Sägespanofen-Kneipe (Dieter schwelgt in Jugenderinnerungen…) auf dem „Nebelpass” eingenommen wird. Wolfgang darf währenddessen hier an Bord bleiben, weil sechs Leute nicht in das Galateia-Mobil passen. Und weil er ja auch dringend mal wieder an die Schreibmaschine muss, um meine Gedanken weiterzuleiten! A propos Gedanken weiterleiten: Roland war unter anderem ja auch deshalb so erholungsbedürftig, weil er und Patrick in den letzten Wochen fleißig an unserer neuen homepage gearbeitet haben! Unter http://www.wolfgang-segelt.de gibt es jetzt zusätzlich zu meinem Logbuch Bilder und Informationen! Viel Spaß beim Rumklicken!

01.07.2005

Freitag, 01. Juli 2005

01.07.2005Freitag, 01.07.05 – Behördenhürdenhorden… die byzantinischen Ausklarierungsformalitäten nehmen mal eben drei Stunden in Anspruch, reichlich Zeit für Dieter, die Schiffs- und Sicherheitseinweisung zu übernehmen, während Wolfgang im Freihafen die verschiedenen Büros abklappert.
Zwei freche, wasserspritzende und auf dem Nachbarboot herumturnende Jungs (die Sommerferien haben hier begonnen!) wollen dann unbedingt an den Ohren gezogen werden (beim Versuch, die Tür zu öffnen ist Schluss mit lustig!), aber dann ist sowieso Zeit für das Ablegemanöver. Monika steuert mich punkt 12.00 h aus der Hafeneinfahrt heraus und dreht meinen Bug nach Osten. Das ist eigentlich verboten, weil wir ja schon die Ausklarierungspapiere an Bord haben, aber einen typischen, kleinen, türkischen Fischerhafen sollen meine neuen Gäste ja auch noch kennen lernen, bevor wir die Türkei verlassen. Prompt begegnet uns nach zwei Meilen die Küstenwache und fragt über Funk nach unserem Reiseziel… Ehrlich währt am längsten, Wolfgang meldet alles wahrheitsgemäß – und die Küstenwache wünscht Gute Reise! Groß und Fock füllen sich mit Wind, die Götter bekommen ihren Opferschluck, Delfine begrüßen die neue Mannschaft – und viel zu schnell ist Arakli erreicht.
Es ist wie immer, nur noch besser: Die Fischer in diesem kleinen Schutzhafen winken mich gleich längsseits und sind natürlich erstaunt, dass mit Judith eine Frau am Steuer steht. Und weil Monika fotografiert, produzieren sie sich natürlich besonders gerne. Aus den üblichen Begrüßungsfloskeln ergibt sich mal wieder ein nettes Gespräch, Orhan und Osgür kommen an Bord und haben einen Riesenspaß mit Langenscheidts Sprachführer für Türkisch! „Können sie bitte meinen Luftdruck prüfen!” ist Osgürs Favorit, da lacht er sich halb schlapp!
Direkt neben dem Hafen gibt es einen kleinen Badestrand, Osgür bekommt eine von Wolfgangs Badehosen ausgeliehen und dann geht’s los zur Kinderbelustigung. Die müssen nach anfänglichem Geplänkel („What is your name?!”) den Tennisball durch die Schwimmente hindurchwerfen, die Judith hoch hält. Judith bekommt auch ein paar Treffer ab…
Dieter und Orhan sind an Bord geblieben, und Dieter fertigt eine technische Zeichnung nach der anderen an, bis Orhan theoretisch auch mit mir lossegeln könnte. Als die Planschpartei wieder an Bord kommt, haben die übrigen Fischer ihre Arbeiten für heute auch erledigt und lassen sich mit der Fischbestimmungstafel die Trophäenflossen vom Solarpaneel (da hängen nämlich die Schwanzflossen der letztjährigen Mahlzeiten!) erklären. Die Bilder vom 2,5m-Sailfish auf Vanuatu sind natürlich besonders beeindruckend…
Zum Abendessen quetscht Osgür meine Mannschaft in das Führerhaus seines LKWs und dann geht es durch Arakli hindurch bis zu einem ehemaligen Strandlokal, durch das jetzt die neue Küstenautobahn (Rasmus sei Dank – noch nicht in Betrieb!) mitten hindurch läuft. Als Ersatz für den Strand hat das Lokal einen Tunnel unter dem Fahrdamm hindurch und einen Pavillon auf einem Vorsprung ins Meer hinein! Der Garten ist aber gemütlich wie vorher – und das Essen ist prima! Freunde kommen vorbei und gesellen sich dazu, der Wirt serviert bis nix mehr reinpasst, und den Absacker ganz zum Schluss gibt es wieder mal hier an Bord im Cockpit – was für ein Tag!

02.07.2005

Samstag, 02. Juli 2005

Samstag, 02.07.05 – Ganz frühes Aufstehen war ja geplant, aber 03.00h nicht! Um die Uhrzeit veranstaltet aber eine kleine Partygesellschaft (allerdings andere Leute, als unsere neuen Freunde) auf dem Fischerboot neben mir eine Seenotsignalmittelabschussübung. Vielleicht ist es auch ein übermütiges Geburtstagsfeuerwerk, nach ein paar Minuten ist der Spuk vorbei – und wie geplant sind wir um 06.00 h nach Norden unterwegs. Weder das Wetter, noch die Anlegemöglichkeiten noch die politische Situation im Abchasien, noch die Gesamttörnstrecke lassen eine Aufenthalt in Georgien ratsam erscheinen, und obwohl Wolfgang ja ungern ein Land auslässt beschließt die Mannschaft einstimmig, den Kurs nach Sochi in Russland abzusetzen. Nach Norden also!
Leichte Brisen, Delfinshow ohne Ende, Rosis Kochkünste und ein toller Sonnenuntergang sorgen für einen ruhigen, wunderbaren Tag; Sternschnuppen, Satelliten und nur wenig Schiffsverkehr sorgen für eine ebensolche Nacht!

03.07.2005

Sonntag, 03. Juli 2005

Sonntag, 03.07.05 – Ruhig, aber stetig geht es vorwärts. Und am Nachmittag liegt Sochi wie geplant vor meinem Bug. Die Hafenverwaltung lässt uns noch nicht in den Hafen, aber die knappe Stunde Wartezeit vor dem Hafen vergeht schnell: Alles ist so ganz anders als in der Türkei! Ausflugsboote, Segelyachten, Jetskifahrer, rappelvolle Badestrände: Massentourismus!
Die Formalitäten werden am Abend an der Zollpier mit Hilfe eines Agenten erledigt, dauert mal wieder ein, zwei Stunden, aber dann darf ich an meinen endgültigen Liegeplatz direkt am schönen, klassisch-sozialistischen „Meerbahnhof”. Und dann sind wir mal alle gespannt auf das Abenteuer Russland!

04.07.2005

Montag, 04. Juli 2005

Montag, 04.07.05 – Sowohl die Zaren als auch die Sowjetbürger haben Sochi großzügig angelegt: Die Uferpromenade ist endlos, die Parks um die Arbeitererholungsheime (heute natürlich alles Hotels!) sind riesig, dementsprechend sind die Wege weit. Viele von den Sanatorien haben deshalb sogar eigene kleine Seilbahnen, die vom Haupthaus zum Strand hinunterführen! Zum botanischen Garten (ebenfalls mit eigener Seilbahn!) läuft meine Mannschaft fast zwei Stunden lang, aber die Mühe lohnt sich! Am Abend gibt es Schaschlik vom Grill, Dieter freut sich am meisten auf das vom Schwein, denn Huhn und Rind gab es in der Türkei ja auch!

05.07.2005

Dienstag, 05. Juli 2005

05.07.2005Dienstag, 05.07.05 – Igor holt meine Mannschaft mit seinem Minibus ab, und dann geht es durch eine wilde Schlucht hinauf in den Kaukasus in das Skigebiet um Krasnaja Poljana. Abenteuer reichlich, wie immer auf den Landausflügen: Per Skilift in die Wolken, einen Schneemann bauen, durch Rhododendronfelder wandern, wilde Orchideen und eine Schneeraupe aus St. Moritz bewundern, Menschen kennen lernen, eine fahrbare Weinprobe erleben, erst dichter Nebel und dann Hagelschlag im Sessellift. WolfgangG hat so bei der ersten Sesselliftfahrt seines Lebens gleich das volle Programm!!! Heute ist das absolute Highlight, dass Monika, Rosi, Judith und Wwolfgang sich im Huckepackverfahren per Fallschirm vom 2238 Meter hohen Aibga durch die Luft ins Tal hinab stürzen! Wahnsinn, Dauerjuchzen, Freudentränen!!!
Aber ich habe auch endlich mal was zu erzählen, normalerweise ist mir an Landausflugstagen ja einfach immer nur langweilig hier im Hafen. Heute nicht. Heute hat das Gewitter, das in den Bergen den Abflug meiner Känguruhpiloten etwas verzögert hat, mal eben ein paar Palmen geknickt, alle tieferliegenden Straßen geflutet, die Versorgungsluke am großen Zierturm des frisch renovierten Meeresbahnhofs aufgerissen und die Platanen schwer entlaubt und entastet! Und es hat mich etwas gegen die Pier gedrückt, weil mein Anker zwar gehalten, aber bei dem enormen Druck sich soweit in den Hafenschlick gearbeitet hat, dass der dabei entstandene Weg gerade für ein paar kleine Macken am Heck gereicht hat. Hier im Hafen war der Teufel los!!!

06.07.2005

Mittwoch, 06. Juli 2005

Mittwoch, 06.07.05 – Wandertag! An drei großen Wasserfällen (nach dem Unwetter gestern natürlich in voller Pracht!!) vorbei und die Agura-Schlucht hinauf bis zu den Felsen, an den Hephaistos den armen Prometheus schmiedete, weil der gegen die Götter aufbegehrte. Und dann die Sauerei mit der Leber, die ein Adler jeden Tag ein wenig angepickt hat, gut, dass Herakles der Quälerei irgendwann ein Ende bereitete. Zurück ans Meer durch eine andere Schlucht nach Macesta, hier gibt es Stalins Lieblingsschwefelbad zu bestaunen, und dann geht es mit dem Sammeltaxi zurück hierher. Die Sammeltaxen heißen übrigens „Marschrutni Taxi”, eines von den vielen Lehnwörtern aus dem Deutschen, „Kurort” und „Butterbrodi” sind zwei weitere!
Wwolfgang zieht am späten Abend noch „maritime Erkundigungen” bei einer russischen Segelyacht ein und kommt mit einem Bildband vom Kreml (Moskau!!!) zurück an Bord, außerdem summt er russische Melodien. Und irgendwie riecht es plötzlich ein wenig nach Wodka?!

07.07.2005

Donnerstag, 07. Juli 2005

Donnerstag, 07.07.05 – Ich werde noch mal in aller Ruhe vollgebunkert, dann folgen ein paar Stunden Ausklarieren samt verschärfter Gesichtskontrolle und Schiffsstempel plus Skipperunterschrift u.a. unter der Schiffsdokumentengültigkeitserklärung (!!!!) und dann segeln wir auch mal wieder! Delfine, leichte Brisen, ein kleiner Grüner Strahl beim Sonnenuntergang und Soljanka (Gemüsesuppe) à la Rosi: Kurs West zur Krim! (ein wenig durchaus ungewollt, denn weitere Häfen dürfen in Russland nicht angelaufen werden!)

08.07.2005

Freitag, 08. Juli 2005

Freitag, 08.07.05 – Es ist und bleibt traumhaft. Tagsüber wolkenloser Himmel, Gustav, der Autopilot am Ruder, leichter, kühler Nordwind in meinen Segeln und meine Crew je nach Gusto auf den Sonnen- oder Schattenplätzen an und unter Deck verteilt. Die Nacht wird besonders schön, weil gestern Neumond war und deshalb auch heute kein Mondschein das Licht der Sterne überstrahlt. Die Milchstraße wirkt richtig plastisch, helle Satelliten (die Raumstation?!) und viele Sternschnuppen dazwischen – und ab und zu Delfine, die nachschauen, ob an Bord noch alles in Ordnung ist und ob die Wache auch nicht schläft!

09.07.2005

Samstag, 09. Juli 2005

Samstag, 09.07.05 – Der Wind dreht rechts herum bis nach Nordost: Raumschotskurs, Blisterwetter! Um 14.15 h ruft Judith dann „Land in Sicht”, aber es dauert dann ja immer noch ein paar Stunden, bis der Hafen erreicht ist. Der Hafenkapitän muss am Wochenende auch erstmal die Behörden zusammentelefonieren, währenddessen treibe ich vor der Mole von Yalta. Na ja, und der Papierkram dauert dann trotz Agent auch wieder ein paar Stunden! Ich wusste nicht, dass der Schiffsstempel nochmal zum wichtigsten Ausrüstungsgegenstand aufsteigen würde. Nach 28 Unterschriften hört Wwolfgang auf, die Dokumente zu zählen: Entrattungszertifikat, Wassertanksinnenbeschichtungsanalyse, dutzendweise Crewlisten, Dieselbestand, Valutenerklärung für jedes Crewmitglied, zwischendurch telefonische Gesundheitsfernanalyse (die Hafenärztin hat schon Feierabend und weigert sich vernünftigerweise, an dem Humbug teilzunehmen…), Yachteinfuhrerklärung, Ausrüstungsnichtverkaufserklärung, Funklizenzkopie, Leichenbestand… da wird der Landgang halt auf morgen verschoben.

10.07.2005

Sonntag, 10. Juli 2005

Sonntag, 10.07.05 – Durch einen kleinen Seiteneingang am Hafengebäude erreicht man das Stadtzentrum. Oder besser: man steht sofort mitten drin im Gewühl! Das hat was überraschendes, macht aber Spaß! Unter schattigen Alleen geht es zum Lenin-Platz, und da gönnt sich meine Mannschaft ein Sektfrühstück – mit Krimsekt natürlich!
Und dann geht das Besichtigungsprogramm los, heute zunächst zum Livadia-Palast. Geschichte pur, denn erstens hat hier Russlands letzter Zar, Nikolaus II. samt Familie die Ferien verbracht, und zweitens wurde hier die Konferenz von Jalta abgehalten! Der Tisch, an dem Stalin, Churchill und Roosevelt Europa neu gezeichnet haben, steht noch genau so da wie auf den berühmten Fotos!
Rosi zieht für ihre Erkundungen die bequeme Fähre vor und besucht den Alupka-Palast, die anderen wandern weiter auf dem „Sonnenpfad” durch den Wald oberhalb der Sanatorien, den letzten Rest bis zur Busstation per Anhalter im Lada „Wolga”, der war mal das sozialistische Nobelmodell! Am Abend geht es dann gemeinsam weiter zum Testen der ukrainischen Küche…

11.07.2005

Montag, 11. Juli 2005

Montag, 11.07.05 – Weiter im Besichtigungsprogramm: Mit einer Eimergondel in die Oberstadt hinauf, ein paar Kirchen anschauen, Souvenirs und auch Lebensmittel kaufen, denn morgen soll die Reise weitergehen!
Beim Jalta-Abschiedsessen darf Wwolfgang seine 15 Jahre alten Russischkenntnisse als Hilfsdolmetscher an einem Nachbartisch einsetzen, mehrsprachige Speisekarten oder mehrsprachige Kellner sind hier doch die Ausnahme. Aber meine Törns sind ja anerkannter Expeditionstourismus, und die sprachlichen Barrieren sind ja eher noch die kleineren…

12.07.2005

Dienstag, 12. Juli 2005

Dienstag, 12.07.05 – „Stamp and sign!”, diesmal drei Durchschläge, um 250 l Wasser nachzubunkern. Den restlichen Papierkram für das innerukrainische!!! Ausklarieren hat der Skipper ja schon in weiser Voraussicht gestern erledigt, aber den Wassertank habe ich ja immer gerne ganz voll, also wird immer so kurz vor dem Ableger wie möglich getankt. So verpassen wir jetzt fast unseren Auslauftermin, denn ab 07.30 h wird der Hafen gesperrt weil ein Kreuzfahrtschiff einläuft. Das Ein- und Auslaufen in den Häfen hier regelt ein sog. „Dispatcher”, und wenn es dem in seiner Weisheit gefällt, den Hafen für das Manöver eines anderen Bootes zu sperren, dann ist der Hafen eben dicht. Naja…
Wunderbarer Ostwind füllt meine Fock, unter Rauschefahrt geht es an der Küste entlang, all die Sehenswürdigkeiten anschauen, für die der Zeitplan nicht gereicht hat: Das berühmte Schwalbennest, ein verspielter Mini-Palast auf einer schroffen Klippe, dann Europas längste stützenfreie Seilbahn auf das Küstengebirge hinauf und natürlich noch mal Paläste und Sanatorien en masse. Wegen der ganzen Sanatorienseilbahnen sind die ex-sowjetischen Kurorte übrigens ein echtes El Dorado für Seilbahnenthusiasten und Aufzugsfreaks! Wilde Konstruktionen!
Vor Balaclava geht das mit den Behördenhürden dann wieder los: Erst meldet sich die Küstenwache nicht (obwohl sie uns vorher recht eindeutig um ein kleines Sperrgebiet herum gelotst hat), dann will sie das Einlaufen in die Marina untersagen, wir sollen nach Sewastopol. Allerdings sprechen sie nur Russisch, weshalb Wwolfgang seine besagten Kenntnisse sofort für eine Weile „vergisst”. Balaclava überrascht dann mit dem sichersten Hafen der Krim, ich bekomme einen richtigen Marina-Liegeplatz. Der Manager verdreht ob der Behördenschikanen die Augen, offensichtlich ist hier ein ziemliches Kompetenzgerangel im Gange.
A propos sicherer Hafen: Balaclava ist so sicher, das seine Existenz zu Sowjetzeiten mehr oder weniger geleugnet wurde! Die U-Boote der Schwarzmeerflotte wurden hier in riesigen Stollen gewartet, erst seit ein paar Jahren dürfen Einheimische die Stadt besuchen, und erst seit neuestem werden die alten Anlagen zum Museum umgestaltet! U-Boot-Mechaniker waren offiziell „Metallarbeiter”, die den Bezirk nicht verlassen durften. Heute ist das alles unter sachkundiger Führung begehbar und damit natürlich der Höhepunkt des Tages.

13.07.2005

Mittwoch, 13. Juli 2005

13.07.2005Mittwoch, 13.07.05 – Wieder mal einer dieser unbeschreiblichen Landausflugstage: Mit dem Kleinbus nach Bachtschisaraj, um dort den Plast des Khans (Den Jungs hat die Krim ja auch mal gehört! Hier war echt jeder schon mal Herrscher!) zu bewundern. Und die Gräber der Griechen. Und die Felsenhöhlenstadt der Khirim. Und die Zisterne. Und das Uspenski-Kloster. Und die Schlachtfelder des Krimkriegs. Und was weiß ich nicht alles, die Krim steckt so voller Geschichte und Geschichten, unbeschreiblich! Und viel zu viel für dieses Logbuch.

14.07.2005

Donnerstag, 14. Juli 2005

Donnerstag, 14.07.05 – Heute geht es mit dem ÖNPV nach Sewastopol, und öffentlicher Personennahverkehr ist ja auch schon immer ein kleines Abenteuer! Zunächst mit dem Bus zum Vorortbusbahnhof, von dort mit dem O-Bus ein Stückchen auf der längsten O-Bus-Strecke Europas bis ins Zentrum, dort dann ein wenig zu Fuß erst ins Marine-Museum und dann bis an den Hafen, dann weiter mit einem Hafenausflugsbötchen an der russischen und ukrainischen Flotte vorbei, dann wieder zu Fuß zum Heldendenkmal und zur Wladimir-Kathedrale, dann mit dem Taxi zu den Ausgrabungen der griechischen Stadt Chersones, dann mit dem Sammeltaxi zurück nach Baklava und dann noch mal zu Fuß in das gute georgische Restaurant und abschließend hundemüde in die Kojen!

15.07.2005

Freitag, 15. Juli 2005

Freitag, 15.07.05 – Zwei deutsche Taucher kommen auf Rosis Einladung zum Frühstück vorbei. Die beiden fühlen sich ähnlich als Experimentaltouristen wie meine Mannschaft!
Und dann geht es wieder auf Strecke: Die letzten Stempel, der aktuelle Wetterbericht – Leinen los! Vollzeugbrise, am Wind, aber ein Anlieger (also Kurs auf das Ziel, ohne aufkreuzen zu müssen). Traumwetter, die schon vertrauten Begrüßungsdelfine und endlich mal ein wenig Zeit, all die Eindrücke zu verdauen! Die Nacht wird wunderbar, um 24.00 h liegt Kap Tarkhankut an Steuerbord querab, und damit verabschieden wir uns an ihrem westlichsten Punkt von der Krim.

16.07.2005

Samstag, 16. Juli 2005

Samstag, 16.07.05 – Ein paar verlassene Ölplattformen, ab und zu ein Frachter und weiter schöner Wind zum Segeln, wenn man von der kurzen Morgenflaute absieht. Ab ca. 13.00 h habe ich nur noch 15 Meter Wasser unter dem Kiel, aber es ist noch kein Land zu sehen! Ganz anders als die gebirgige Krim ist das Mündungsgebiet von Bug und Dnjepr einfach nur flach! Judith ruft als erste „Land in Sicht!”, aber da ist es auch nur noch ein paar Meilen entfernt. Die Küstenwache erkundigt sich über Funk nach uns und wünscht Gute Reise, aber wir wollen ja nur noch hinter die Landzunge vom Kap Tendrov und dort in ziemlicher Einsamkeit ankern. Ein Gewitter vertreibt die vielen Fliegen und Mücken, die vor einem Hitzeschauer in Flußgegenden ja typisch sind.

17.07.2005

Sonntag, 17. Juli 2005

Sonntag, 17.07.05 – Ein ganz normaler Tagestörn! Erst der dritte auf dieser Reise, denn irgendwie besteht dieser Törn ansonsten hauptsächlich aus entweder Langstreckensegeln oder Hafentagen!
In der Zufahrt zum Beresansky Liman sind die Tonnen vertrieben, und so landen wir ungeplant, aber viel schöner an einem Ankerplatz hinter der Kinisburnuskaya Halbinsel. Die Landzunge ist an ihrem äußersten Ende Vogelschutzgebiet, Betreten verboten! Ankern aber nicht – und so liege ich unerwarteterweise auf drei Metern Wassertiefe vor endlosem, weißen Sandstrand in völliger Abgeschiedenheit. Weiter unten auf der Nehrung gibt es einen Mini-Campingplatz, Higgins (mein Beiboot) bekommt den Außenborder angeschraubt und es geht mal wieder auf Erkundungstour! Nun gut, natürlich erst, nachdem die Küstenwache vorbeigeschaut hat, die Crewliste kontrolliert ist und ich als verbrecherfrei nach Odessa gemeldet werde. Aber dann steht dem Strandspaziergang nichts mehr im Wege!
Zurück an Bord backen Monika und Dieter frisches Brot, Seglerherz, was willst Du mehr?!

18.07.2005

Montag, 18. Juli 2005

Montag, 18.07.05 – Habe ich euch schon erzählt, dass Wwolfgang in Odessa mal so ein wenig studiert hat?! Verhaftet war er natürlich auch, und während mein Kurs so langsam durch die Reede in Richtung Hafen geht, da kommen meinem Käpt’n doch so langsam die Erinnerungen wieder, und deshalb segeln wir auch noch einen kleinen Schlenker an der Promenade entlang. Zu vielen der Gebäude hat Wwolfgang eine Geschichte zu erzählen…
In der neuen Marina direkt an der berühmten Potemkinschen Treppe kommen kurz die üblichen Kontrolleure vorbei, aber dann geht es die Treppe hinauf in die Altstadt. Skippers erster Eindruck: Odessa ist in den letzten 15 Jahren noch schöner geworden!

19.07.2005

Dienstag, 19. Juli 2005

19.07.2005Dienstag, 19.07.05 – Ich darf noch die allerletzten Meter von 670 Meilen seit Trabzon zurücklegen: erst an die Tankstelle und dann an meinen endgültigen Liegeplatz am ersten Steg. Damit avanciere ich zur Sehenswürdigkeit, denn genau vor meinem Bug machen alle Hafenbesucher das obligatorische „Mein Liebling, eine tolle Yacht und das Meer-Foto”! Hundertfach und in den tollsten Posen!!!

20.07.2005

Mittwoch, 20. Juli 2005

Mittwoch, 20.07.05 – Die Oper, die Paläste, die Museen, die Passagen, die Märkte, die Denkmäler, der Strand… und meine Crew ist glücklich, weil für all die Sehenswürdigkeiten noch ein wenig Zeit ist, denn die Flüge gehen erst morgen!

21.07.2005

Donnerstag, 21. Juli 2005

Donnerstag, 21.07.05 – Ein schönes Frühstück noch – dann stehen die Taxen an der Pier. Gute Reise, und hoffentlich bis nächstes Jahr! Wobei – Monika kommt ja schon im Herbst wieder!

22.07.2005

Freitag, 22. Juli 2005

Freitag, 22.07.05 – Dieter hat sogar bis heute Zeit, Odessa zu genießen, wobei er langsam aber sicher auf die 192 Stufen schimpft, die meinen Liegeplatz vom Schatten der Boulevards und Alleen der Altstadt trennen…
Bei Dieter ist ja auch klar, dass er demnächst wieder hier an Bord auftaucht, bis dahin schon mal alles Gute und vielen Dank für all die Winterarbeit an meiner Mechanik!

23.07.2005

Samstag, 23. Juli 2005

Samstag, 23.07.05 – Und damit sind Wolfgang (ab sofort wieder in gewohnter Schreibweise) und ich alleine und verlassen und einsam… nee, nicht wirklich, denn erstens liegen noch zwei, drei andere Yachten in der Marina, zweitens sind auch die Ukrainer hier am Steg total nett und drittens kann ich mir meinen Skipper ja in allen möglichen Situationen vorstellen, aber nicht einsam…

24.07.2005

Sonntag, 24. Juli 2005

Sonntag, 24.07.05 – Vor lauter „Einsamkeit“ gestern Abend schläft er heute mal gleich bis in die Puppen! Und dann besucht er die anderen Yachties auf der Suche nach Informationen über die Donau, ein englischer Katamaran ist rechtsherum hierher gesegelt, eine holländische Slup auch. Erfahrungsaustausch ist ja wichtig, vor allem in diesen doch recht wenig befahrenen Gebieten. So hocken denn alle über den Karten und Handbüchern und verbessern mit Bleistift die offiziellen Skizzen und Hafenpläne.

25.07.2005

Montag, 25. Juli 2005

Montag, 25.07.05 – Katharina die Große hat Odessa bauen lassen, weil sie meinte, dringend einen Hafen am Schwarzen Meer besitzen zu müssen. Die Stadt ist deshalb mehr oder weniger auf dem Reißbrett entstanden und ihr fehlt die mittelalterliche Enge eines alten Stadtkerns. Alle Straßen sind als prachtvolle Boulevards entstanden, und so weit die Topographie es zuließ, wurden sie im rechten Winkel zueinander angelegt. Richelieu, ein vor der Französischen Revolution nach Russland geflohener Verwandter des berühmten Pariser Kardinals, wurde der erste Bürgermeister und ließ Unmengen von Bäumen pflanzen: alle Straßen haben jeweils eine Reihe an der Seite, die „Boulevards” zeichnet aus, dass sie aus der Abfolge Gehsteig-Baumreihe-Karrenfahrweg-Baumreihe-Kutschenfahrstrassse-Baumreihe-Gehsteig bestehen, auf den alten Karrenfahrwegen ist heute Platz für die Straßenbahn, die Gehsteige sind ca. sechs Meter breit, Gebäude zu fotografieren ist wegen all der Bäume fast unmöglich!
Außerdem kommen heute Wolfgangs Hosen aus der Wäscherei zurück.

26.07.2005

Dienstag, 26. Juli 2005

Dienstag, 26.07.05 – Und zu all den Gebäuden gibt es natürlich Geschichten zu erzählen, und für die besonders besonderen Geschichten haben die Oddessiter Denkmäler aufgestellt. Der hochverehrte Puschkin, der bei der Stadtverwaltung sehr ungelitten, beim Volk aber beliebt war, bekam von den Bürgern eine Büste gestiftet, die einen sagen, ohne Unterleib, damit er nicht mehr weglaufen kann, die anderen behaupten, weil den Bürgern das Geld ausging!
Mein Lieblingsdenkmal ist das von der Seemannsfrau, die hier in Bronze gegossen mit ihrem Söhnchen auf dem Arm den Schiffen nachschaut. Dazu erklingen den ganzen Tag lang aus einem kleinen Lautsprecher Abschiedslieder von Leonid Utesow, abends, wenn es ruhiger wird, höre ich sie gut bis hierher an meinen Liegeplatz. Wolfgang mag das Denkmal vom Stuhl am liebsten. Im Stadtpark, und nur dazu da, sich darauf zu setzen und sich von anderen Geschichten anzuhören!
Obwohl – die besten Geschichten gibt es heute an Bord der SY Lalela, zusammen mit Gabi und Skipper Günther, und mit Mia und Vytze von der holländischen SY Skua: Fahrtensegelerklönschnack mit Fischhäppchen und indonesischem Sate.
Ach ja, und Wolfgangs Hemden kommen aus der Wäscherei zurück!